: Nichts ist hartnäckiger als Hunger
UNO legt ihren Welthungerbericht vor. Dieses Jahr kaum Besserung, weiter über 800 Millionen Hungernde. Ursachen: Krieg, Missernten, Korruption. Abhilfe angeblich durch Agrarforschung und Schuldenerlass. Kritiker fordern vor allem Landreformen
von KATHARINA KOUFEN
Die Bekämpfung des Hungers macht keine Fortschritte. Das ist die Bilanz des Welthungerberichts, den die UNO-Landwirtschaftsorganisation FAO gestern zum Welternährungstags in Berlin vorstellte. Die Zahl der Hungernden und chronisch Unternernährten stagniere bei 826 Millionen Menschen, heißt es in dem Bericht (www.fao.org). 729 Millionen davon leben in den Entwicklungsländern, 26 Millionen in den Ländern der ehemaligen UdSSR. In den Industriestaaten hungern – freiwillig – acht Millionen.
Noch auf dem Welternährungsgipfel 1996 in Rom hatten sich 186 Staaten darauf geeinigt, die Zahl der Hungernden weltweit bis 2015 zu halbieren. „Dieses Ziel zu erreichen, wird schwierig“, sagte FAO-Mitarbeiter Josef Schmidhuber gestern in Berlin. Anfang der 90er-Jahre sei die Zahl der Hungernden immerhin noch um acht Millionen jährlich gesunken.
In den fünf ärmsten Ländern der Welt, in Afghanistan, Burundi, Haiti, Mosambik und Somalia fehlen einem unternährten Menschen pro Tag rund 450 Kilokalorien – ein Fünftel der Energie, die ein Erwachsener zum Leben braucht. „Sie können noch so viele Schulen bauen – hungrige Kinder können sich nicht konzentrieren“, warf Ingeborg Schäuble, die Vorsitzende der Welthungerhilfe, gestern den Geberstaaten vor. „Unterernährte Arbeiter sind nicht produktiv. Ohne die Unternernährung würde die Weltwirtschaft um vier Prozent stärker wachsen.“ In den betroffenen Regionen liege die durchschnittliche Lebenserwartung wegen des Nahrungsmangels um bis zu 20 Jahren niedriger als anderswo.
Als Hauptursachen für Hunger nennt der Bericht Kriege, die Korruption der Regierungen in den Entwicklungsländern, die Vernachlässigung der Landwirtschaft, Missernten und hohes Bevölkerungswachstum.
Mehr Geld solle vor allem in die Agrarforschung gesteckt werden, heißt es in dem Bericht, der an dieser Stelle als positives Beispiel Ghana nennt: Dort sei der Anteil der Unterernährten seit Anfang der 80er-Jahre von 62 auf 10 Prozent gesunken. Das sei unter anderem der Züchtung einer besonders widerstandsfähigen Manioksorte zu verdanken. Chancen sehen die FAO-Experten auch in der Gentechnik, mit deren Hilfe womöglich schädlingsresistentes Saatgut entwickelt werden kann.
Die Autoren des Berichts fordern außerdem, dass die Industrieländer ihre Märkte für die Entwicklungländer öffnen und ihnen, weitergehend als bisher geplant, Schulden erlassen. Der Menschenrechtsgruppe Fian, die sich für ein Recht auf Ernährung einsetzt, gehen diese Forderungen nicht weit genug. „Das Problem liegt nicht im Angebot von, sondern im Zugang zu Nahrungsmitteln“, sagte Martin Wolpold-Bosien. Der ländlichen Bevölkerung in den Entwicklungsländern müsse der Zugang zu Land garantiert werden. Deshalb sollten Geberstaaten viel stärker auf Agrarreformen drängen.
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