piwik no script img

Die Front der Verweigerer wird breiter

Proteste gab es in mehreren EU-Mitgliedsstaaten. Aber nur die Niederlande haben mit dem Hinweis auf grundlegende nationale Gesetze gleich nach der Verabschiedung der EU-Richtlinie Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht

BERLIN taz ■ Die Europäische Richtline zum Schutz biotechnologischer Erfindungen (98/44) wurde gegen die Stimmen mehrerer EU-Mitgliedsstaaten, darunter die Niederlande und Italien, verabschiedet. Über zehn Jahre wurde zuvor im Europaparlament heftig darum gerungen, bis sie dann 1998 endgültig vom EU-Ministerrat abgesegnet wurde. Die niederländische Regierung kündigte unverzüglich an, gerichtlich gegen die Richtlinie vorzugehen. Auch Italien und Luxemburg protestierten, aber einzig die Niederländer reichten eine Klage beim Europäischen Gerichtshof ein. Sie wollen die ganze Richtlinie zu Fall bringen. In ihrer Begründung führen sie an, dass die Europäische Union überhaupt kein Recht habe, in die nationalen Patentgesetze einzugreifen. Und wenn, hätte die Richtlinie im Konsens aller EU-Staaten verabschiedet werden müssen.

Den Hinweis der Kommission, dass es sich um kein neues Gesetz handele, sondern lediglich um die Harmonisierung in den Mitgliedsstaaten, weisen die Niederländer entschieden zurück. So sei bisher in internationalen Übereinkommen festgelegt, dass Pflanzensorten und Tierarten nicht patentiert werden dürfen. „Im Übrigen“, so heißt es in der Klageschrift, „gibt es bisher in den Niederlanden kein Patent, das sich auf biologische Materialien bezieht, die sich selbst reproduzieren können“. Sowohl Tiere als auch Pflanzen sind dort somit nicht patentfähig. Auch embryonale, menschliche Stammzellen dürften damit nicht unter Verwertungsschutz gestellt werden. Durch die EU-Richtlinie seien die Niederländer gezwungen, grundlegende Gesetze zu ändern.

Der Europäische Gerichtshof wird voraussichtlich erst 2001 über die Klage entscheiden. Zwar hat die Klage keine aufschiebende Wirkung. Nach EU-Recht müssten auch die Niederlande die Richtlinie unverzüglich umsetzen. Aber bisher verweigert die Haager Regierung dies.

Und steht damit nicht allein. Auch Frankreich ist mittlerweile gegen die Richtlinie. Paris hat vorerst der EU-Kommission eine ganze Reihe Fragen vorgelegt. Die Kommission soll einzelne Passagen erläutern und Definitionen für umstrittene Formulierungen liefern, ohne die eine Umsetzung der Richtlinie nicht möglich sei. Einer Klage jedoch können sie sich nicht mehr anschließen. Die Frist ist bereits abgelaufen. WOLFGANG LÖHR

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen