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Fressvisionen unterm Wasserfall

■ Vattenfall bestätigt Mehrheitserwerb der HEW. Kein Interesse an Hamburgs Anteilen

Leise spricht der Mann. Freundlich wirkt er, fast ein bisschen bieder, jedenfalls nicht wie einer, der Europa unter Strom setzen will. Genau das aber hat Lars G. Josefsson vor. Er spricht von „unserer Vision“, und er meint kühle Strategien zur Flurbereinigung auf dem kontinentalen Energiemarkt; er prophezeit wachsenden Konkurrenzdruck, und er lässt keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, lieber zu fressen als sich fressen zu lassen: „In zehn Jahren“, sagt der Vorstandschef des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall, „werden in Europa fünf oder sechs Unternehmen den Markt bestimmen, und Vattenfall wird eines davon sein.“

Gestern kam er eigens aus Stockholm nach Hamburg gejettet, um im noblen Überseeclub zu verkünden, dass „Wasserfall“ seine Beteiligung bei den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) auf 71,2 Prozent aufgestockt hat: 37,2 Prozent wurden den Konzernen Eon und Sydkraft abgekauft und 7,8 Prozent bei Kleinanlegern eingesammelt, 25,1 Prozent hatte Vattenfall bereits im November vorigen Jahres der Stadt Hamburg für 1,7 Milliarden Mark abgekauft. Der Rest von 3,7 Prozent Streubesitz von Kleinaktionären stört Josefsson ebensowenig wie der 25,1-prozentige Anteil, den Hamburg noch hält. Denn Vattenfall ist sich seiner Sache sicher.

Ortwin Runde dürfe seinetwegen gerne Aufsichtsratsvorsitzender bei den HEW bleiben, sagt Josefsson, denn der Bürgermeister sei „ein kluger und wirtschaftlich denkender Mann“. Da falle es nicht ins Gewicht, dass Hamburg nach Aktienrecht über eine Sperrminorität verfügt. „Unsere Partnerschaft mit der Stadt ist sehr gut“, sagt Josefsson, „und ich denke, die Atmosphäre wird gut bleiben.“ Kaufen will er den zweiten Hamburger Anteil aber nicht: „Wir haben keinen gesteigerten Bedarf mehr dafür.“ Allerdings sieht der Vertrag mit der Stadt vor, dass Vattenfall bis Ende 2002 diese Aktien für ebenfalls 1,7 Milliarden Mark erwerben muss, wenn Hamburg sie loswerden will. Und das wird die finanziell klamme Stadt in gut einem Jahr, nach der Bürgerschaftswahl, wollen. „Ja“, sagt Josefsson, „das wird dann teuer“, und ihm ist anzumerken, dass er das Geld lieber sinnvoll investieren würde, nun, da er bei den HEW eh die Richtung bestimmt.

Vor allem in die nächsten Schritte zur Verwirklichung seiner „Vision“: der Etablierung von Vattenfall-HEW als Nummer drei in Deutschland, dem „größten Markt in Europa“. Die Einverleibung der Berliner Bewag steht auf dem Wunschzettel, und danach soll der ostdeutsche Marktführer Veag eingegliedert werden. Das sei, findet Josefsson, „die ideale Positionierung, um ein Konzern von europäischer Dimension zu werden“.

Denn in dem gegenwärtigen Konzentrationsprozess in der Energiebranche werde es „viele Verlierer und nur wenige Sieger“ geben. Die HEW allein „hat keine Überlebenschance“, sagt Josefsson mit Seitenblick auf deren Vorstands-Chef Manfred Timm: „Aber mit uns stehen sie auf der Gewinnerseite.“ Sven-Michael Veit

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