buchmessern
: Von Friedensnobelpreisträgern und Feuilletonchefs

Männer auf schwierigen Posten

Möchte man eigentlich Literaturnobelpreisträger werden? Im Lichte dieser Buchmesse bekommt kann man da so seine Zweifel. Gao Xingjian jedenfalls wirkte etwas verloren da unten auf dem Podium – ein zurückhaltender, höflicher Mann aus den Pariser Vorstädten, der sich nun tapfer müht, den Ansprüchen der Weltöffentlichkeit nachzukommen und ansonsten sein Leben nicht zu sehr aus dem Ruder laufen zu lassen. Das war im „Saal Harmonie“, dem größten Raum im Frankfurter Kongresscentrum. Vergangenes Jahr hatte hier Oskar Lafontaine sein Buch vorgestellt, und es war die Hölle los gewesen.

Am Messe-Mittwoch gab es noch viele freie Stühle. Natürlich war erst noch eine gewisse Neugier auf diesen Nobelpreisträger, den keiner kennt, spürbar; bald aber wirkte das Ganze wie ein Pflichttermin. Und dann die – muss man sagen! – beschämenden Fragen der lieben Journalistenkollegen. „Woran schreiben Sie gerade“, traute sich doch tatsächlich jemand sein Interesse zu formulieren. „Was halten Sie von der polnischen Literatur?“, fragte ein polnischer Kollege. Fragen auf einem Niveau, wie sie sonst Fußballern vorm Duschen gestellt werden.

Doch Gao Xingjian bemüht sich redlich. Und bald beginnt man, hinter dieser Redlichkeit Methode zu vermuten: Vielleicht hat er sich wirklich gedacht, dass es das Beste sein wird, nun allen Verpflichtungen ohne viel Aufhebens nachzukommen. Dann geht alles am schnellsten wieder vorüber. Er weiß, so gewinnt man den Eindruck: Das sind gerade seine ganz großen fünfzehn Minuten.

Spätestens in der sechzehnten Minute wird er wieder zu seiner eigentlichen Arbeit, dem Schreiben, zurückkommen. Ach, wenn man es nur richtig angeht, ist so ein Nobelpreis vielleicht doch ganz in Ordnung. Irgendwie ging man aus der Veranstaltung mit dem Gefühl, dass Gao Xingjian es schon richtig machen wird. Um es mal so zu formulieren: Das ist der erste Nobelpreisträger seit langem, mit dem man sich vorstellen kann einfach mal ein Bier zu trinken.

Wo wir gerade bei Männern auf schwierigem Posten sind: Eckard Fuhr, der alte Politikchef der FAZ und neue Feuilletonchef der Welt, war auch bei der Nobelpreis-PK. Man hatte ihn ja schon in den vergangenen Wochen in Berlin auf jeder kulturellen Veranstaltung gesehen, die unsere Hauptstadt so zu bieten hat. Aber man wusste nicht recht, warum, aus irgendwelchen Gründen wirkte er stets ein wenig deplatziert, auch wenn er sich offenbar mit großem Elan in die ihm bis dahin eher fremden kulturellen Gepflogenheiten einarbeitete (hat es das schon einmal gegeben, dass ein Politikchef Kulturchef wird? Mal nachforschen!).

Es gibt ja immer noch Grund zur Hoffnung, dass es im Kulturbetrieb ein bisschen selbstironischer und nicht gar so platzhirschhaft und verdrängungswettbewerbsmäßig zugeht wie in dem auf seine Weise sicherlich auch interessanten Politikbetrieb – kann schon sein, dass man bei einem Crossover da so seine Schwierigkeiten bekommt. Jedenfalls: Auf der Pressekonferenz für Gao Xingjian wirkte Herr Fuhr, als sei er für so etwas geschaffen. Ein Bein übers andere geschlagen. Den Oberkörper lässig im 45-Grad-Winkel zum Podium gedreht. Ein undurchdringliches Gesicht aufgesetzt, aus dem keine Gefühlsregung abzulesen ist, aber dabei wache Augen und einen Kugelschreiber, der wie von selbst übers Papier des Notizblockes fliegt.

Genau so wird Eckard Fuhr bislang auf unzähligen Bundespressekonferenzen Auge in Auge mit dem Bundeskanzler um Informationen gekämpft haben. Nun beobachtet er eben mit demselben Einsatz unsere Kulturvertreter: Es war das Gefühl zu registrieren, sich stellvertretend für unseren kleinen Kulturbetrieb ein wenig geschmeichelt zu fühlen. DIRK KNIPPHALS