: Wim Duisenberg: ein williger Prügelknabe
Der amtierende Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) redet zwar zu viel, wird die Kritik aber wohl noch eine Weile überstehen
Der Friese Willem Frederik Duisenberg wurde 1935 im niederländischen Heerenveen geboren. Friesen sind wortkarg, sagt der Volksmund, und deshalb schien er für den Job des Präsidenten einer Zentralbank grundsätzlich geeignet. Doch Wim Duisenberg plaudere zu viel, heißt es nun – vor allem mit den Medien. Sowohl bei seinen monatlichen Pressekonferenzen wie auch bei Interviews rede er immer wieder viel zu sehr Klartext. Selbst eine Binsenweisheit wie „Die Hauptaufgabe der EZB ist die Wahrung der Kaufkraft im Innern des Euro-Raums“ ist zu viel, wenn die Währungsspekulanten der Welt gerade auf ein Signal warten, ob die Europäer ihre Währung stützen oder nicht: Wer auf die Binnenkaufkraft achtet, dem ist der Dollar erst mal egal, so die Deutung. Und der Euro purzelt nochmal ein Stück.
Er sollte sich mehr auf seine gewinnende Erscheinung – groß, weißhaarig, vielsprachig – verlassen und ansonsten orakelhaft schweigen wie US-Vorbild Alan Greenspan, so der Tipp. Er dürfte noch etwas Zeit haben, das zu proben. Zwar gibt es Gerüchte über seinen Rücktritt, aber wer sollte ihm nachfolgen? Der in langwierigen Rangeleien von den EU-Staatschefs ausgeheckte Nachfolger und Chef der französischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hat ein Verfahren im Rahmen eines Bankenskandals um die „Verbreitung falscher Informationen an den Märkten und die Vorlage unrichtiger Bilanzen“ am Hals. Da muss erst Gras drüber wachsen.
Duisenberg wird also noch etwas bleiben, wenn er auch nicht als der glorreiche Gründungspräsident der EZB in die Geschichte eingehen wird. Und die derzeitige Rolle als Euro-Prügelknabe dürfte er verkraften. Immerhin hat er vorher eine imposante Laufbahn hingelegt: Doktor der Ökonomie mit 26, danach beim Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, Professor in Amsterdam, Finanzminister der Sozialdemokraten, Chef einer Großbank, Präsident der niederländischen Zentralbank, seit 1997 Chef des EZB-Vorläufers Europäisches Währungsinstitut und dann seit Juni 1999 Präsident der EZB. Und ihm bleibt ein Trost: Egal, wer Präsident der Eurobank geworden wäre, der Euro wäre gefallen und damit auch der Ruf des EZB-Präsidenten. Denn einer muss ja den Prügelknaben abgeben.
REINER METZGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen