piwik no script img

Justiz ist schon drin

Hamburger RichterInnen zieht es ins WorldWideWeb. Das Verwaltungsgericht hat schon eine Internetseite, die anderen wollen auch  ■ Von Elke Spanner

Nach drei Minuten darf ein Auto abgeschleppt werden, das unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz steht. SozialhilfeempfängerInnen müssen sich grundsätzlich die zur Renovierung ihrer Wohnung erforderlichen Fertigkeiten selbst aneignen. Und wenn der Besitzer eines Kampfhundes sich wiederholt weigert, diesem einen Maulkorb umzubinden, ist das sehr wohl ein Grund, ihm das Tier zu entziehen. Warum das so ist, steht ebenfalls auf der Homepage des Hamburgischen Verwaltungsgerichtes (VG).

Als erstes hanseatische Gericht ist das VG mit einer eigenen Web-Site ins Internet gegangen. Auf der finden sich aktuelle Entscheidungen, ausgewählt danach, ob sie „von allgemeinem Interesse sind“ oder zumindest „die Vielfalt der Lebenssachverhalte“ aufzeigen, über welche die RichterInnen am Nagelsweg in Hammerbrook zu entscheiden haben. Mit der Auswahl begleiten die RichterInnen vor allem juristisch die Themen, die auch politisch in der Stadt von Interesse sind. Das macht die Lektüre spannend – und verklärt ein bisschen das Bild des Richterberufes. Klickt man hingegen die Sparte „Organisation“ an, erfährt man, dass auch eine Kammer auf „Seefalluntersuchungssachen“ spezialisiert ist, eine andere auf das „Wohnungsbauförderungsrecht“ – was ein etwas anderes Licht auf den JuristInnenalltag wirft.

In erster Linie ist die Internetseite als Wegweiser gedacht. Zunächst im wörtlichen Sinn: Die Wegbeschreibung zum Nagelsweg wird aufgeführt. Wer eine Rechtsberatung sucht, wird per Link an die Öffentliche Rechtsauskunft (ÖRA) und an die Hanseatische Rechtsanwaltskammer weiterverwiesen. Wer als Zuschauer Prozesse besuchen will, findet Hinweise auf Verhandlungen, die von öffentlichem Interesse sein könnten. Vorige Woche etwa wurde auf die Klage des Bürgerbegehrens gegen Bauwagenplätze im Bezirk Nord hingewiesen. Ende des Monats, so ein zweiter Tipp, entscheidet das VG über den Asylantrag einer Frau aus Tibet.

Die anderen Hamburger Gerichte, so Sprecherin Sabine Westphalen, wollen nachziehen. Auch sie planen ihren Gang ins Internet. Schneller waren da unter anderem das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof und das Bundessozialgericht. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist im Netz, das „International Criminal Tribunal for the former Yugoslawia“ ebenso. Außerdem, dorthin verweist auch die VG-Homepage, sind im Internet juristische Zeitschriften, Suchmaschinen und Vereinigungen zu finden oder Datenbanken wie die Urteilssammlungen „Jusline“ oder „Jurat“, aber auch die „Entscheidungssammlung zum Staatskirchenrecht der Uni Trier“.

Auch der Hamburgische Richterverein hat es bereits zum eigenen Internetauftritt geschafft. Der gibt zunächst einen Überblick über Presseartikel zum Thema Justiz, zurzeit eindeutig dominiert vom Strafverfahren gegen Amtsrichter Ronald Schill. Daneben findet sich ein Veranstaltungskalender, in dem zum Beispiel die Ausstellung „Knast ist nicht cool“ erwähnt ist, und ein Richterseminar zum Thema „Nationalsozialismus und Jus-tiz“. Im „Gästebuch“ des Richtervereins sucht gerade jemand nach dem Hamburger Reisekostengesetz und dem Hamburger Umzugskostengesetz, und zwei Jurastudentinnen im zweiten Semester fragen, wo sie für eine Hausarbeit ein Urteil des Verfassungsgerichtes von Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1999 finden. Antwort: „Hilfe naht in Link/Gerichtsurteil.“

Doch die Justiz stellt sich im Web nicht nur als Dienstleister dar. Der Hamburgische Richterverein hat auch eine Jammerseite, in der er Ungerechtigkeiten beklagt, die den RichterInnen selbst widerfahren. So wird geschimpft, dass Hamburg „die Wiederansiedlung der Ashininka-Indianer im peruanischen Regenwald mitfinanziert“ und das Mühlenberger Loch für 700 Millionen Mark zuschütten lässt – und für die Justiz, heißt es im Gegenzug, „ist angeblich kein Geld da“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen