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Kein Blauer Engel auf weißer Ware

In den letzten Jahren ist der Ressourcenverbrauch bei Haushaltsgeräten zurückgegangen. Doch die Verbraucherverbände beklagen die Unübersichtlichkeit der Öko-Label. Der „Blaue Engel“ wird von Herstellern bislang verschmäht

von VOLKER ENGELS

Nicht nur Computer, auch Haushaltsgeräte werden immer intelligenter. Heut zu Tage können Waschmaschinen fast alles, kaum ein Trockner schrumpft Papas XXL-Shirt noch zum Schlafanzug für den Nachwuchs. Andere Eigenschaften als alleine die technische Raffinesse bestimmen mittlerweile die Kaufentscheidung. Der Strom- und Wasserverbrauch steht bei Waschmaschinen und Geschirrspülern nach einer Leserumfrage der Zeitschrift Test vom Mai an erster Stelle der Kundenwünsche. Gleich gefolgt von einem ruhigen und leisen Lauf der elektrischen Haushaltshelfer.

Diesen Kundenwünschen trägt die Industrie Rechnung: Miele hat in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben bei Waschmaschinen den Strom- und Wasserverbrauch um jeweils 70 Prozent gesenkt. Bei Spülmaschinen sank der Wasserverbrauch um 72 Prozent, der Stromverbrauch konnte mehr als halbiert werden. Außerdem fühle sich der Gerätehersteller einer Umweltpolitik verpflichtet, „die weit über das hinausgeht, was der Gesetzgeber von uns verlangt“, sagt Reinhild Portmann. In einer interdisziplinären Arbeitsgruppe werde „grundsätzlich die Umweltfreundlichkeit geprüft, bevor die neuen Geräte in die Produktion gehen“, ergänzt die Pressesprecherin von Miele. Außerdem würden auch Zulieferer vertraglich verpflichtet, die strengen Umweltkriterien des Unternehmens bei der Fertigung zu berücksichtigen. Hält sich der Lieferant nicht an die Kriterien des Auftraggebers, werden die Verträge storniert. Umweltschonende Gesichtspunkte gelten dabei nicht nur für den Verbrauch von Wasser und Energie. Auch der Einsatz von Rohstoffen wird bei der Produktion berücksichtigt.

Die erhebliche Energie- und Wasserreduzierung ist zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass konsequent elektronische Steuerprogramme eingesetzt werden. Viele Waschmaschinen verfügen mittlerweile über optische Schnittstellen, die ein regelmäßiges elektronisches Update der Steuerprogramme ermöglichen. Das Waschprogramm kann neuen Textilien oder Waschmitteln problemlos angepasst werden. Grüne Hochtechnologie bei „weißer Ware“.

Die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AGV) steht den Öko-Labels der Industrie mit einiger Skepsis gegenüber. „Das einzig verlässliche Signal für den Verbraucher ist der Blaue Engel“, meint Hans-Jürgen Billigmann von der AGV. Dieses Umweltzeichen sei im Konsens zwischen der Wirtschaft, Umwelt- und Verbraucherverbänden entstanden. Nur damit sei eine „ausreichende Transparenz“ gewährleistet. Überhaupt mache es „keinen Sinn“, dass jeder mit einem eigenen Label laviere. Bei der Vergabe des Umweltengels werden zum Beispiel umwelt- und recyclinggerechte Konstruktion, die Verwendung von umweltfreundlichen Lacken sowie Bedingungen für das Verpackungsmaterial berücksichtigt.

Ein Blick auf die Homepage des „Blauen Engel“ fördert Erstaunliches zu Tage: Kein einziger Produzent von Wasch- oder Spülmaschinen hat bislang das Ökozertifikat für seine Produkte beantragt. An den Kosten wird es kaum liegen: Lediglich 300 Mark kostet der Antrag, die Lizenz ab einer Millionen Geräte schlägt mit rund viereinhalbtausend Mark zu Buche. Peanuts.

Das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL e. V.), das den „Blauen Engel“ vergibt, kann sich das mangelnde Interesse der Industrie genauso wenig erklären wie das Umweltbundesamt. Möglicherweise, heißt es, liege das Desinteresse der Gerätehersteller darin begründet, „dass die Verbraucher den Engel bei ihrer Kaufentscheidung nicht ausreichend honorieren.“ Werbewirkung des geflügelten Siegels gleich null? Probleme, das Zertifikat zu erhalten, dürften Miele, Bosch & Co angesichts der weit verbreiteten Umweltstandards bei der Produktion kaum haben. Im kommenden Jahr will das Umweltbundesamt einen intensiveren Kontakt zu den Herstellern suchen.

Technische Innovationen dienen bei der „weißen Ware“ nicht alleine dem Umweltschutz. Seit kurzem ist die erste sprechende Waschmaschine auf dem Markt, die Sehbehinderte und Blinde selbstständig bedienen können. Der weitere Schritt zum sprechenden Haushaltsgerät, das auch noch selbstständig denkt, scheint angesichts solcher Meldungen in erreichbare Nähe zu rücken. Das gepflegte Feierabendschwätzchen mit dem Kühlschrank könnte in Zukunft dazu beitragen, die Leere der Berliner Single-Haushalte mit Leben zu erfüllen.

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