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„Die PDS aus dem Bundestag drängen“

SPD-Landeschef Peter Strieder will verhindern, dass die PDS 2002 über Berliner Direktmandate wieder ins Parlament einzieht. Sonst könnte es für Schröder und Rot-Grün knapp werden. Auf Landesebene hält sich Strieder aber alle Optionen offen. Hauptsache, es wird nicht zu viel darüber geredet

Interview RALPH BOLLMANN und BARBARA JUNGE

taz: In der vergangenen Woche ist Bärbel Grygier auf PDS-Ticket und mit den Stimmen der SPD zur Bürgermeisterin im Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain gewählt worden. War das eine historische Stunde?

Peter Strieder: Nein. Die kommunale Ebene wird in ihrer Bedeutung für die Landesebene überschätzt. Wir haben von der Landesebene auf diese Entscheidung keinen Einfluss genommen.

Aber die Parole „Hände weg von der PDS“ wird die Berliner SPD nicht mehr auspacken?

Ein „Niemals wieder“ gibt es nicht. In dieser Frage spielt jedoch nicht die kommunalpolitische Entwicklung die entscheidende Rolle, sonder die Bundesebene. Es war immerhin der Bundeskanzler, der der PDS zugesagt hat, sie bei der Rentenreform einzubeziehen. Wenn der Kanzler mit dem PDS-Vorsitzenden essen geht, ist das ein normaler, in der Demokratie zu erwartender Vorgang. Und SPD-Generalsekretär Franz Müntefering war Gast der rot-roten Koalition in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Berliner SPD hat sich mit der PDS bislang sehr schwer getan, was nicht zuletzt in der eigenen Geschichte begründet liegt. Kommt der Sinneswandel durch die Nachhilfe der Bundespartei?

10 Jahre nach der deutschen Einheit muss man schlicht konstatieren, dass die PDS in Ostdeutschland eine relevante Unterstützung der Wählerinnen und Wähler hat. Es gehört zum demokratischen Prozess, sich inhaltlich mit der PDS auseinanderzusetzen. Die Methode der CDU, einerseits auf dem Sofa mit der PDS zu kuscheln, sie andererseits im Parlament zu diffamieren, funktioniert nicht mehr. Das macht der CDU natürlich Angst. Das kann ich verstehen, es beeindruckt mich aber nicht.

Das Drängen der Bundespartei, die großen Koalitionen in Berlin und Brandenburg zu beenden, spielte dabei keine Rolle?

Ich habe mit Franz Müntefering natürlich über die Situation in Berlin gesprochen. Aber es gab von seiner Seite keinerlei Drängen, die Koalition mit der CDU zu beenden – auch wenn es anders kolportiert wird.

Aber wenn Sie sich für eine Ende der großen Koalition und für ein Bündnis mit der PDS entscheiden würden, gäbe es keinen Widerstand mehr?

Das haben wir nicht besprochen, weil sich die Frage nicht stellt. Was sollte denn das strategische Interesse des SPD-Parteivorstandes sein – angesichts der großen Zahl von Wählerinnen und Wählern in Westdeutschland, die noch ein ganz anderes Verhältnis zur PDS haben?

Wie schätzen Sie das im Westteil Berlins ein?

Ähnlich problematisch. Deshalb will ich die kommunale Entwicklung auch nicht überbewerten.

Dennoch redet die Berliner CDU jetzt den Untergang des Abendlandes herbei.

Das macht die CDU immer. Das hat sich abgenutzt.

Der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, Klaus Landowsky, spricht vom Weg in eine andere Republik.

Allein dadurch, dass die CDU nicht an der Regierung ist, wird diese Republik nicht eine andere. Aber vielleicht wird sie dadurch eine bessere. Auch der Blick nach Mecklenburg-Vorpommern zeigt uns, dass dort keine revolutionären Zustände herrschen.

Also ist die PDS eine ganz normale Partei?

Die PDS ist keine homogene Partei. Die Führung ist weiter als die Basis. Die PDS muss noch viele Debatten führen, insbesondere über ihre eigene Geschichte. Die Themen SED-Opfer und das Verhältnis zur SPD sind noch lange nicht aufgearbeitet. Es geht aber auch um ganz aktuelle Fragen: Was ist Zivilgesellschaft, welche Rolle soll der Staat spielen? Dieser notwendige Differenzierungsprozess wird der PDS noch Schwierigkeiten machen.

Das heißt: Konkurrenz statt Koalition?

Schon allein mit dem Blick auf die nächste Bundestagswahl ist es eine elementare Aufgabe der Berliner SPD, die Wählerinnen und Wähler für Rot-Grün zu gewinnen. Es könnte ja sein, dass es für Rot-Grün nicht reicht, wenn die PDS wieder in den Bundestag kommt. Deshalb müssen wir verhindern, dass die PDS in Berlin drei Direktmandate holt. Mein Kurs ist klar: Kuscheln kann man nur innerhalb der eigenen Partei, nicht mit den anderen.

In Berlin sind Sie aber auf die PDS angewiesen, weil eine rot-grüne Mehrheit nicht in Sicht ist. Steuern Sie da nicht auf einen Zielkonflikt zu?

Ich bin dafür, dass man Aufgaben immer dann erledigt, wenn sie anstehen. Jetzt steht die Bundestagswahl 2002 an. Und auf die sollten wir uns konzentrieren. Ich halte Koalitionsdebatten in Berlin derzeit für schädlich – und kann nur an alle Sozialdemokraten appellieren, sich in dieser Frage zurückzuhalten. Alles zu seiner Zeit.

Wie kommt es, dass der Parteilinke Peter Strieder in der PDS-Frage Abstinenz verlangt – während so genannte Modernisierer wie Fraktionschef Klaus Wowereit oder Ex-Senatorin Annette Fugmann-Hessing keine Chance auslassen, der PDS Avancen zu machen?

Wir sind uns in der Führung der Berliner SPD völlig einig. Als Landesvorsitzender der Berliner SPD ist es meine Aufgabe und mein Interesse, die SPD insgesamt für die nächsten Wahlen in eine gute Ausgangsposition zu bringen. Eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür ist die Geschlossenheit innerhalb der SPD.

Daran hapert es ganz gewaltig. Sie selbst haben in einer nebensächlichen Frage, der Berufung des stellvertretenden Senatssprechers, einen Streit mit Ihrem Senatskollegen Klaus Böger vom Zaun gebrochen.

Davon kann keine Rede sein.

Ach?

Es gab unterschiedliche Bewertungen.

Die wären?

Die Informationspolitik muss deutlich auf Erfolge des Senats gerichtet sein. Die große Koalition hat seit 1990 Großes geleistet. Sie hat keinen Grund, sich hinter den Leistungen anderer Landesregierungen zu verstecken.

Und bisher wurden diese Erfolge von Seiten der SPD zu schlecht verkauft?

Nein, wir haben ein ganz anderes Problem. Ein relevanter Teil der Berliner SPD hat in den vergangenen zehn Jahren nicht akzeptiert, dass es zur großen Koalition angesichts der Größe der zu bewältigenden Aufgabe nie eine Alternative gegeben hat. Ein so diskussionsfreudiges Bündnis wie die rot-grüne Koalition von 1989 hätte das nicht leisten können.

Sie beschwören die Harmonie in der großen Koalition. Der politische Alltag spricht eine andere Sprache. Oft steht Ihre Partei in einer Art innerkoalitionärer Opposition an der Seite von PDS und Grünen – etwa bei Fragen der Inneren Sicherheit oder der Kulturpolitik.

Es wäre ja noch schöner, wenn man in der Koalition nicht auch unterschiedliche Auffassungen vertreten könnte. Wir haben eine Koalitionsvereinbarung. Die CDU sollte üben, sich auch in Fragen der Inneren Sicherheit stärker an dieser Koalitionsvereinbarung zu orientieren. Dort haben wir die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen ausgeschlossen, und dabei wird es bleiben. Und beim Demonstrationsrecht geht es der CDU nicht darum, Neonazis zu bekämpfen. Innensenator Eckart Werthebach will die Demonstrationsfreiheit in einem Maße einschränken, wie es mit der Verfassung nicht vereinbar ist. Nach diesen christkonservativen Vorstellungen hätten Demonstrationen wie die gegen den Vietnamkrieg nie stattfinden können. Das ist mit der SPD nicht zu machen.

Wollen Sie diesen Kleinkrieg mit der CDU wirklich noch bis zum Jahr 2004 führen?

Ich will keinen Kleinkrieg. Die CDU muss sich an die Koalitionsvereinbarung halten. Und die Koalition ist nicht grenzenlos belastbar.

Trotzdem legen Sie Ihre Hand dafür ins Feuer, dass die nächsten Wahlen erst im Jahr 2004 stattfinden?

Ja. Denn ich betrachte ganz nüchtern die Sachlage. Neuwahlen gibt es nur, wenn sich das Parlament mit Zweidrittelmehrheit selbst auflöst. Das ginge nicht ohne die Stimmen der CDU, und damit ist das eine virtuelle Diskussion.

Hätte die SPD im Fall von Neuwahlen überhaupt noch präsentables Personal, nachdem sie fast die gesamte Prominenz geopfert hat – von Ditmar Staffelt über Walter Momper bis Annette Fugmann-Heesing?

Es gibt weder Neuwahlen noch einen Personalmangel. Walter Momper ist Vizpräsident des Parlaments, Ditmar Staffelt ist wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Annette Fugmann-Heesing ist stellvertretende Landesvorsitzende. Und viele andere bekleiden wichtige Ämter in Bundesregierung und Bundestagsfraktion.

Dennoch könnte man doch höflich formulieren: Es ist schwer, sich neben Peter Strieder zu behaupten.

Wenn das höflich ist . . .

Duldet Peter Strieder jemanden neben sich?

Ich bin weder Zwerg Allwissend noch Peter der Große. Politik ist immer ein Mannschaftsspiel.

Haben Sie denn schon mal eine Mannschaftssportart betrieben?

Früher Fußball, abwechselnd als Vorstopper oder als Mittelstürmer. Und letztens habe ich Baseball gespielt, da flog mir leider der Ball schmerzhaft mitten ins Gesicht.

Soll das heißen: Mannschaftssport ist gefährlich?

Na ja, die Verletzungsgefahr durch Teamkollegen ist meist geringer als die durch den Gegner.

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