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Task Force des Untergangs

Der Absturz des Fast-Bundestrainers Christoph Daum und die Apotheose des Prinzips Völler offenbaren die komplette Orientierungslosigkeit im deutschen Fußball

Sollte Uli Hoeneß irgendwann in den nächsten Tagen vor Wonne einfach zerfließen, muss man sich zumindest nicht darum sorgen, wer wohl sein Nachfolger als Manager des FC Bayern München sein wird. Natürlich Rudi Völler, der neue Omnipotentat im deutschen Fußball, das Allzweckheilmittel aus dem Hause Bayer für personelle Malaisen aller Art. Jener Mann, der Anfang Juli in eine ratlose Versammlung ging, um den ein oder anderen Geistesblitz beizusteuern, und als Teamchef der Nationalmannschaft wieder herauskam. Jener Mann, der im Auftrag seines Arbeitgebers Bayer Leverkusen auszog, die nationale Fußballehre zu retten und seit Samstag nebenher noch Bayer Leverkusen retten muss.

Dabei sollte Rudi Völler doch nur den Platzhalter spielen für den Herrn, der um ein Haar Bundestrainer geworden wäre: Christoph Daum, nach der verkorksten Europameisterschaft unisono als Rettungsengel des Nationalteams beschworen, nach ebenso langwierigem wie possierlichem Hin und Her schließlich tatsächlich installiert, wenn auch mit Zeitzünder, und in den letzten Wochen dann von Grund auf demontiert. In atemberaubendem Tempo erfuhr der Trainer eine rapide Metamorphose vom Heilsbringer zum halbkriminellen Scharlatan und wurde nun am Samstag endgültig zum armen Wicht herabgemenschelt, der niemandem mehr helfen kann, sondern nur noch selbst Hilfe braucht. Drahtzieher des Absturzes waren dieselben, die den ehemaligen künftigen Bundestrainer mit großer Geste inthronisiert hatten, allen voran Uli Hoeneß, der im Schafspelz des Allgemeinwohls die verbalen Dolche spitzte und doch nur das Glück seines Klubs im Auge hatte. Ohne das emsige Gestichel und Gestocher des Bayern-Managers, dessen pralle Glückseligkeit am Samstag einen wirkungsvollen Kontrast zur allseits triefenden Betroffenheit bildete, hätte sich Christoph Daum wohl kaum zu jener fatalen Haaranalyse drängen lassen, deren Ergebnis ihn zum notorischen Kokser stempelt, wenn sich nicht noch herausstellt, dass irgendein böser Schuft sein Shampoo mit Methylbenzoylergonin versetzt hat.

Ob Christoph Daum tatsächlich süchtig ist oder sich nur gelegentlich ein Näschen gute Laune gönnt, wie das in Künstlerkreisen, zu denen man Fußballtrainer bedingt zählen kann, üblich ist, wurde nicht bekannt. Gerüchte gab es in der Vergangenheit immer wieder, gemerkt hat im direkten Umfeld, wenn man Leverkusens Manager Reiner Calmund folgt, jedoch niemand etwas. Was auch nicht weiter verwundert in einer Szene, die geübt ist in der Diagnose extensiven Alkoholmissbrauchs, aber in Sachen Drogen ziemlich ahnungslos, wie das hilflose Gestammel von Beckenbauer und Co nach dem Haar-Eklat bewies.

Der positive Befund bedeutet nicht nur das zumindest vorläufige Ende der Trainerkarriere des beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Bayer Leverkusen simultan entfernten Christoph Daum, sondern auch das grandiose Scheitern eines völlig neuen und anfangs viel gefeierten Modells im deutschen Fußball. Die Bundesliga müsse endlich Solidarität zeigen und Verantwortung übernehmen, hieß es nach der EM, um ein Herumeiern mit bekannt katastrophalem Ausgang (Ribbeck!) wie 1998 nach dem Vogts-Rausschmiss zu vermeiden. Doch das Eingreifen der im Wesentlichen aus Vertretern von Bayern München und Bayer Leverkusen bestehenden Task Force richtete in kürzester Zeit mehr Chaos an, als es der DFB in hundert Jahren geschafft hatte. Mitreden wollten sie gerne, die Spitzenklubs, hergeben aber nichts. Bayern nicht Hitzfeld, Bayer nicht Daum. Von Anfang an arbeitete jeder gegen jeden, was zur Ausbrütung der wahnwitzigen Idee führte, einen Warteschleifen-Bundestrainer zu berufen, den die eine Partei (Bayern) auch noch hasste wie die Pest. Wäre dem Kongress der Ratlosen nicht zufällig ein Glücksstern in Gestalt von Rudi Völler erschienen, sie säßen vermutlich heute noch da und würden grübeln, wie sie sich zum Frommen der Nation gegenseitig austricksen können. So haben die neuen Gralshüter das Kunststück fertig gebracht, als erstes Land der Welt einen Nationaltrainer zu feuern, bevor der überhaupt sein Amt angetreten hat.

Als sich nämlich herausstellte, dass der Interims-Teamchef Völler über eine eingebaute Gewinnautomatik verfügt, war Daum plötzlich überflüssig, die Solidarität sowieso, und Uli Hoeneß setzte beim Auftreten der ersten Schwachstelle sein beträchtliches Geschick im Spiel mit den Medien ein, um den Beelzebub aus Leverkusen ein für allemal zu bannen. Auch ohne das ominöse Haar im Reagenzglas wäre das Manöver ein voller Erfolg gewesen. Gestern hätten sich Unschuldslamm Hoeneß und der gerupfte Daum beim designierten DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder zum Versöhnungsgespräch getroffen, der Ruf des Coaches war dennoch längst ruiniert und die Gelegenheit zum vernichtenden Schubser hätte sich im Laufe der Saison schon noch gefunden. Einen Bundestrainer Daum hätte es auch koksfrei niemals gegeben, stattdessen gibt es jetzt genau das, was eigentlich keiner wollte: Einen Teamchef der Nationalmannschaft, der gleichzeitig Teamchef eines Bundesligaklubs ist, und erneut die Frage, die vor knapp vier Monaten so zufrieden stellend beantwortet schien: Wie geht es weiter?

Im naiven Glauben, dass auch in Zukunft alles so gut läuft, wie es begonnen hat, starrt nun jeder auf Rudi Völler, dessen hauptsächliche Qualifikation zum Amt des Bundestrainers darin besteht, dreimal gewonnen und mächtig gute Laune verbreitet zu haben. Niemand redet mehr von der Notwendigkeit neuer Konzepte in allen Bereichen, für die der ausgewiesene Fachmann und besessene Arbeiter Daum zuständig sein sollte. Wozu etwas ändern, wenn wir inzwischen sogar wieder gegen England gewinnen? Die Zukunft heißt Ruuudi, zumindest bis sich beim nächsten großen Turnier herausstellt, dass prima Stimmung allein noch keinen Weltklassefußball generiert.

Zudem ist das System Völler keineswegs gesichert. Bayer Leverkusen, wo der ausgeliehene Teamchef Völler bis 2003 unter Vertrag steht, dürfte gründlich die Schnauze voll davon haben, den Retter des deutschen Fußballs zu spielen, und wird den Wundertäter nach Ablauf seines DFB-Jahres im nächsten Juni wohl lieber selbst behalten wollen. Was dann? Die Bundesliga-Task-Force hat sich als ebenso unfähig erwiesen wie der DFB, wenn es darum geht, praktikable Lösungen zu finden, Und weder beim DFB eines Mayer-Vorfelder noch bei den intrigenfreudigen Spitzenklubs der Liga besteht Grund zur Annahme, dass in naher Zukunft ein Quantensprung der Vernunft stattfinden wird.

Wo Menschen versagen, helfen nur Strukturen. Warum also nicht einfach das Erfolgsprinzip Völler zur Regel erheben und endgültig den Stand-by-Coach einführen: Bundestrainer ist immer derjenige, dessen Mannschaft gerade an der Spitze der Bundesligatabelle steht. Natürlich erst nach erfolgreicher Absolvierung des obligatorischen Haartests. MATTI LIESKE

Hinweise:Mitreden wollten sie gern, die Spitzenklubs, hergeben aber nichts. Jeder arbeitetegegen jedenWozu etwas ändern, wenn wir sogar wieder gegen England gewinnen. Die Zukunft heißt Ruuudi

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