: Überm Wrack das Rettungsboot
Seit 10 Jahren forscht die Wega: Ab und zu findet sie ein gesunkenes Schiff ■ Von Gernot Knödler
Hartmut Brunn muss sich gedulden. Der Kapitän des Forschungsschiffes Wega steht draußen auf der Brücke und will zur Geburtstagsfahrt von den Landungsbrücken ablegen. Aber an diesem Dienstag ist viel los auf der Elbe. „Da kommt noch eine von den lütten Elbfähren, Hartmut“, warnt ein Besatzungsmitglied. Dann ist der Strom frei, und die Wega brummt los.
Ganz schmal sieht die Elbe aus von der Brücke der Wega, obwohl es sich bei dem Mehrzweckschiff des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) keineswegs um ein großes Schiff handelt: 52 Meter lang und elf Meter breit, dreieinhal Meter Tiefgang.
Zur Zeit seiner Indienststellung vor genau zehn Jahren, darauf weist BSH-Präsident Peter Ehlers stolz hin, sei die Wega „ein Beispiel des fortgeschrittenen deutschen Schiffbaus“ gewesen. Als es 1991 auf der Konferenz der Nordseestaaten vorgestellt wurde, landete es sogar im dänischen Fernsehen.
Was die Wega auszeichnet, ist die Ansammlung technischer Geräte an Bord, denn das Schiff ist im wesentlichen eine Arbeitsplattform. Mit Winden, Galgen und Hebezeugen können Bojen ausgesetzt werden, die den Zustand der Nordsee überwachen. Es können Sedimentproben eingebracht und Taucher zu Wasser gelassen werden. Die Labors bieten Arbeitsplätze für sieben WissenschaftlerInnen.
85 Prozent ihrer Zeit verbringen die Wega und ihre Besatzung allerdings damit, die Seekarten auf dem neuesten Stand zu bringen und die Unterwasserhindernisse, vor allem in der Deutschen Bucht, unter Kontrolle zu halten. Gut 1700 davon sind bekannt: Schiffswracks, Container, abgestürzte Flugzeuge. In den zehn Jahren hat die Wega 115 neue entdeckt und 400 bekannte Hindernisse auf Veränderungen untersucht. Mit ihrem Fächerlot kann sie einen Querschnitt des Meeresbodens unter ihrer Fahrspur abbilden – so genau, dass sich sogar die Decksaufbauten eines Wracks erkennen lassen.
Die Wega war zum Beispiel das erste Schiff, welches das Wrack der Anfang 1993 vor Rügen gesunkenen Ostsee-Fähre „Jan Heweliusz“ untersuchte. Über der Unglückstelle sei noch ein leeres Rettungsboot geschwommen, erinnert sich Jan Gehl von der Wega. 55 Passagiere ertranken bei der Havarie. Nur die Besatzung konnte sich retten.
Mindestens eine, manchmal auch zwei Wochen ist die Wega mit ihren 16 Besatzungsmitgliedern auf See. Richtig langweilig sei selbst eine flächendeckende Wracksuche nicht, findet Hartmut Brunn. Immer wieder kämen Besatzungsmitglieder auf die Brücke, um zu gucken, ob die Schiffsinstrumente etwas aufspüren konnten. „Die Spannung ist im Hintergrund doch immer da“, sagt der Kapitän.
Ein Wrack haben aber auch Brunn und seine Crew bisher nicht orten können: die „Gottfried“, einen Schoner mit archäologischen Funden aus Agypten an Bord, der 1822 vor der Elbmündung kenterte. Lediglich zwei Mumien konnten damals geborgen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen