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„Sachkompetenz nicht gefragt“

DW-Intendant Dieter Weirich fordert, das Reformpapier von Medienstaatsminister Naumann zu vergessen und endlich miteinander zu reden. Deutsches Unterhaltungsfernsehen für das Ausland macht nur als Pay-TV Sinn. Ein Gespräch

taz: Die Bundesregierung, vertreten durch den Beauftragten für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, fordert eine weit gehende Reform der Deutschen Welle. Wo sehen Sie tatsächlichen Reformbedarf?

Dieter Weirich: Wir mussten nach den drastischen Budgetkürzungen unser mittelfristiges Zukunftskonzept verändern. Die neue Aufgabenplanung liegt Rundfunk- und Verwaltungsrat vor. Ihre Zielrichtung: 1.) verstärkte Zuwendung zu Krisen- und Präventionsradio; 2.) engere Zusammenarbeit mit Inlandsrundfunkveranstaltern vor allem für DW-tv; 3.) Ausbau von DW-online; 4.) Fortsetzung unserer Digitalisierungsoffensive. Bis zur Stunde kenne ich keine konkreten Reformvorstellungen des Beauftragten für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien, nur Überlegungen eines Beamten aus seiner Behörde.

Das sogenannte „Hanten-Papier“ ist nach Ihrer Darstellung ohne Konsultationen mit der Deutschen Welle entstanden. Das Naumann- Ministerium bestreitet dies und erklärt, es sei zumindest mit Ihnen korrespondiert worden.

Das Papier wurde uns nach Fertigstellung mit der Bitte um Stellungnahme zugesandt, wie auch den Bundesländern. Insofern gab es eine Korrespondenz. Was ich kritisiert habe, ist die Tatsache, dass bei der Formulierung dieses Papiers unser in über vier Jahrzehnten gewachsener Sachverstand für internationale Medienmärkte, unsere Erfahrung und Sachkompetenz nicht gefragt waren. Es lohnt sich immer, mit denen zu sprechen, die zwangsläufig mehr von einem Thema verstehen. So sieht mein Verständnis von neuer Offenheit in der Kulturpolitik aus.

Warum will die Behörde offensichtlich nicht direkt mit Ihnen oder der DW sprechen, sondern verweist stattdessen auf die Bundesländer, in deren Auftrag das „Hanten-Papier“ entstanden sei?

Wir haben immer wieder unsere Gesprächsbereitschaft betont, doch kann man niemand zum Zuhören zwingen. Ich war fünfzehn Jahre Abgeordneter, und es ist gute politische Tradition, dass man in Gesprächen, Hearings oder Kolloquien betroffene Sachverständige einbindet, bevor man Positionspapiere zum Besten gibt. Journalistische Unabhängigkeit ist im Übrigen das Aroma freien Rundfunks. Die fragwürdigen Passagen in diesem Papier müssen jeden Intendanten, der über die Einhaltung des gesetzlichen Auftrags wacht, in Stellung bringen. Meine Empfehlung: Man vergisst dieses Papier, von dem man sich jetzt vorsichtig distanziert, und sucht das Gespräch. In der Sache ist leicht ein Konsens zu finden.

Hat sich bei den Beratungen der Rundfunkkommission der Länder über die Naumann-Vorstellungen schon etwas bewegt?

Wie ich die Bundesländer kenne, werden sie die Rundfunkfreiheit strikt achten und sich nicht an Diskussionen über Programmgestaltung beim Auslandsrundfunk beteiligen. Wenn es Gespräche in der Zukunft über eine erleichterte Zusammenarbeit von ARD, ZDF und DW auch auf der Basis von Bund und Ländern gibt, begrüße ich das. Wir haben das Thema schon seit 1993 auf der Agenda, und es gibt ja auch seit über 30 Jahren bewährte Zusammenarbeit, etwa bei der TransTel, einer Kulturexportgesellschaft für die Dritte Welt.

Offenbar will die Bundesregierung im Bereich Hörfunk vor allem beim so genannten „Kompensationsradio“ Abstriche machen. Ihre Position?

Wenn Sie unter Kompensationsradio Krisen- oder Präventionsradio – also fremdsprachige Sendungen für Menschen mit oder ohne eingeschränkter Presse- und Informationsfreiheit – meinen, so ist dies nicht deren Absicht. Sonst hätten wir nicht aus dem Südosteuropa-Stabilitätspakt zusätzliche Mittel bekommen, um unsere Initiativen für das frühere Jugoslawien zu verstärken. Wir wissen gemeinsam, dass Freiheit und Frieden in dieser krisengeschüttelten Region nur mit einer Veränderung des Bewusstseins in den Köpfen möglich ist. Und dazu braucht man Medien. Im Übrigen kann die Bundesregierung nach unserem Gesetz nicht bestimmen, wo wir Programme machen und wo wir Schwerpunkte setzen. Das ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Sache der Organe – Intendant, Verwaltungs- und Rundfunkrat.

Bei DW-tv ist dagegen von einer Beschränkung auf Deutsch und Englisch die Rede. Würden Sie die spanischsprachigen Programmanteile zur Disposition stellen?

Auf Spanisch bei DW-tv zu verzichten, wäre töricht. Mit diesem Programm haben wir die größten Erfolge bei Rebroadcastern. Es wäre eine Entscheidung gegen das Publikum. Nachdem wir nach dem Streichkonzert das spanische Hörfunkprogramm bereits eingestellt haben, würden wir diese Weltsprache gar nicht mehr anbieten. Unvorstellbar. Außerdem hätten wir dann auch kein spanisches Onlineangebot mehr. Die Zukunft von DW-tv ist klar: Beibehaltung des erfolgreichen aktuellen Satellitenfernsehens mit kostengünstiger Belieferung von Informationsprodukten durch ARD und ZDF, enge Kooperation mit dem Inlandsrundfunk beim Angebot für digitale Plattformen weltweit, sprich Pay-TV, oder codierte Systeme.

Die von Ihnen angeführten Schwierigkeiten bei der im Prinzip ja von allen Beteiligten gewünschten Kooperation von DW-tv mit ARD und ZDF beurteilt das Haus Naumann als „Petitesse“. Ein Missverständnis?

ARD und ZDF leben von Gebührengeldern, die nach der Gesetzeslage nicht für Auslandsausstrahlungen gedacht sind. Bei vielen Produktionen haben sie deshalb nur Inlandsrechte. Die Lage ist kompliziert, und letztlich geht’s ums liebe Geld. Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass Finanzfragen selten „Petitessen“ sind. Im Übrigen braucht man uns finanziell nur besser auszustatten, dann wird manches zur „Petitesse“, was heute als unüberwindliches Hindernis gilt.

ARD und ZDF sind in eigener Sache in Nordamerika unterwegs und werden in Südafrika bereits via Satellit verbreitet. Warum diese Konkurrenz zur laufenden Kooperationsdiskussion? Soll die DW unter Zugzwang gesetzt werden?

Ich sehe mich keinesfalls unter Zugzwang. In allen deregulierten Informationsmärkten der Welt bilden sich digitale Plattformen heraus, wo Minderheitenprogramme für Ausländer zumeist im Wege des Pay-TV verbreitet werden. Was Polen, Italien, aber auch kleinen Ländern wie der Schweiz möglich ist, muss auch für deutsche Programme möglich sein. Wir sind in sieben digitalen Plattformen weltweit, und ich strebe eine enge Zusammenarbeit mit dem Inlandsrundfunk für Digitalprogramme mit Unterhaltung an, was wir nicht haben, die Auslandsdeutschen aber wollen, wenn sie dafür Geld bezahlen. Solche Programme können sich refinanzieren. Man muss nur wissen, dass man mit solchen Programmen allenfalls ein paar zehntausend Auslandsdeutsche erreichen kann. Um das Deutschlandbild wirksam zu vermitteln, braucht man auf das Ausland zugeschnittene Fernsehprodukte in mehreren Sprachen. Natürlich ist es ein Widerspruch, dass manche hierzulande Pay-TV schroff ablehnen, mit den Veranstaltern solcher Programme aber munter verhandeln. In solchen Fragen bin ich aber locker und generös. Man muss sich der Welt der Digitalisierung und Globalisierung anpassen. Am deutschen Medienwesen wird die Welt kaum genesen. INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG

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