: Euro sorgt für Turbulenzen
Wieder verspekuliert: Die Notenbanken wollen nicht intervenieren. Gemeinschaftswährung auf neuem Allzeittief. Unternehmensgewinne sinken
BERLIN taz ■ Man kann es dem Euro nicht recht machen. Unbeirrt setzt er das fort, was er bislang am besten kann – er fällt und fällt. Gestern wieder einmal auf einen neuen Tiefststand seit seiner Einführung als europäische Gemeinschaftswährung. Am Vormittag notierte er kurzzeitig bei 0,8290 Dollar. Der Greenback kostete damit umgerechnet in der Spitze fast 2,36 Mark.
Hauptbegründung von Analysten und Händlern: Bei dem derzeit in Montreal stattfindenden G-20-Treffen gebe es keinen Hinweis, dass die Zentralbanker in Europa, den USA und Japan eine groß angelegte Intervention zugunsten der kriselnden Währung planten. Genau die hatten sich viele Marktteilnehmer aber erhofft und entsprechend spekuliert.
Dabei hatten sich europäische Ökonomen und Politiker seit dem Ausrutscher von EZB-Chef Wim Duisenberg in der vergangenen Woche, der zu dem bis gestern letzten Allzeittief geführt hatte, bemüht, möglichst überhaupt keine Gerüchte zu nähren. Dieses Mal war ihnen US-Finanzminister Lawrence Summers in den Rücken gefallen, als er am Dienstagabend erklärt hatte, Washington halte „an dem Grundsatz fest, dass ein starker Dollar in unseren Interessen liegt“. Daraufhin hätten Duisenberg oder andere Teilnehmer „irgendetwas sagen müssen“, meinte der Analyst einer großen deutschen Bank gegenüber der taz. Wenn überhaupt nichts komme, könne der Kurs „auch unter die 80 Cent fallen“. Die Finanzminister sahen das anders. Hans Eichel etwa lehnte am Nachmittag jeden Kommentar ab.
Die Grundstimmung auf den Finanzmärkten wurde noch schlechter, als bekannt wurde, dass eine niederländische Bank im Rahmen einer Fusion eine große Menge Euro verkauft hat. Und dass japanische Lebensversicherer angeblich planten, ihre in Euro gehaltenen Devisenreserven loszuschlagen. Mehr statt weniger Euro auf dem Markt – das war nicht das, was die Anleger erwartet hatten. Kein Wunder, dass alle versuchten, auch für sich zu retten, was noch zu retten war.
Für die Volkswirtschaften im Euroland sehen Ökonomen allerdings noch keine Gefahr. Erst am Dienstag hatten Vertreter der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute erklärt, die schwache Währung kompensiere negative Effekte durch den hohen Ölpreis zumindest zum Teil und sei damit ein wichtiger Faktor für die Konjunktur. Etwas anders scheint das bei den einzelnen Unternehmen auszusehen. Laut dem jüngsten Monatsbericht der Bundesbank sanken die Gewinne der deutschen Kapitalgesellschaften 1999 aufgrund der „Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten“ insgesamt um 5 Prozent.
Schlimmer noch könnte es Großbritannien treffen, dessen Regierungschef Tony Blair zum wiederholten Mal bestätigt hat, sein Land wolle der Euro-Zone mit Sicherheit vorläufig nicht beitreten. Dort kündigte der japanische Elektronikkonzern Matsushita, der unter anderem die Marke Panasonic produziert, gestern an, sein Engagement deutlich einzuschränken. Allein in Wales werde man 1.400 Arbeitsplätze abbauen, weil die Produktion wegen des hohen Kurses des Pfunds gegen den Euro zu teuer geworden sei.
BEATE WILLMS
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