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Schläfrige Richter, glückliche Angeklagte

Bundesgerichtshof: Wenn die Justiz ein Strafverfahren zu lange verschleppt, kann es ohne Urteil eingestellt werden

KARLSRUHE taz ■ Strafverfahren, die von der Justiz extrem lange verzögert werden, können zukünftig ohne Verurteilung eingestellt werden. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Grundsatzentscheidung. Bisher war in derartigen Fällen nur eine Milderung der Strafe zugelassen.

Im konkreten Fall ging es um Vorwürfe gegen den ehemaligen Weltklassesprinter Manfred Ommer, der nach seiner aktiven Zeit auch Präsident des Fußballclubs FC Homburg war. Ommer soll von 1984 bis 1986 Geldanleger beim Verkauf von Eigentumswohnungen getäuscht und betrogen haben. Nach über siebenjährigen Ermittlungen wurde erst 1994 Anklage erhoben. Der Prozess begann wegen Überlastung der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer in Köln erst weitere fünf Jahre später, im Januar 1999. Ommer konnte nichts für die Verzögerung.

Nach 44 Verhandlungstagen stellten die Kölner Richter das Verfahren dann knapp ein Jahr später ohne Auflage ein. Der Prozess wäre zwar noch lange nicht zu Ende gewesen, eine Weiterführung hätte nach Meinung des Landgerichts aber die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt, die überlange Verfahrensdauern verbietet.

Die Staatsanwaltschaft, die sich um die Früchte ihrer Arbeit betrogen sah, legte den Fall jetzt dem BGH zur Prüfung vor. Bisher war in solchen Konstellationen nämlich bis zum Urteil weiterverhandelt worden, wobei allerdings die lange Verfahrensdauer wegen der damit verbundenen Belastung für den Angeklagten zu einer „erheblichen Milderung“ der Strafe führen konnte.

Jetzt hat der BGH erstmals anerkannt, dass die „rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung“ auch ein „Verfahrenshindernis“ sein kann (Az: 2 StR 232/00). Einzustellen ist ein überlanges Verfahren laut BGH allerdings nur „in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen“. Der Bundesgerichtshof hat erkennbar Angst, dass Richter künftig Verfahren einfach wegen überlanger Verfahrensdauer beenden, sobald sie ihnen zu kompliziert werden. In einer „umfassenden Gesamtwürdigung“, so die jetzt aufgestellte BGH-Bedingung, müssen deshalb zuvor Verfahrensablauf, weitere Verfahrensdauer und voraussichtlich feststellbare Schuld „nachprüfbar“ festgestellt und abgewogen werden.

An diesen Voraussetzungen fehlte es bei der Kölner Verfahrenseinstellung. „In diesem Urteil stand nicht einmal, welche Taten dem Angeklagten zuletzt noch vorgeworfen wurden“, kritisierte der Vorsitzende Richter Burkhard Jähnke. Für Ommer ist das Verfahren deshalb noch nicht zu Ende. Der BGH verwies die Sache nun zu neuer Verhandlung an das Landgericht Bonn.

Doch die neue Grundsatzentscheidung des BGH dürfte auch beim Bundesverfassungsgericht mit Wohlwollen registriert worden sein. Dort hatte man schon seit 1983 Verfahrenseinstellungen bei rechtsstaatswidrigen Verzögerungen angeregt – was jedoch von den Strafgerichten ignoriert wurde. CHRISTIAN RATH

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