Kläger tot – Akte zu?

Lufthansa-Arbeiter streitet bis zu seinem Tod vergebens um seine Berufsgenossenschaftsrente  ■ Von Magda Schneider

Elf Jahre lang hat der Hamburger Lufthansa-Mitarbeiter Wolfgang Paasch um die Anerkennung seiner Hirnschädigung als Berufserkrankung gekämpft. Seit 1994 ist seine Klage gegen den Ablehnungsbescheid der „Berufsgenossenschaft (BG) Fahrzeughaltungen“ auf Zahlung einer Rente anhängig. Erst im März dieses Jahres verhandelte das Hamburger Sozialgericht erstmals über seinen Fall. Jetzt kann die Akte geschlossen werden: Vor wenigen Tagen starb der 54jährige an den Folgen seiner Erkrankung.

Obwohl seit längerem internationale Langzeitstudien belegen, dass chlorierte Kohlenwasserstoffe in Lösungsmitteln zu organischen Schädigungen führen, erkennen die Berufsgenossenschaften chronische Erkrankungen als Berufserkrankung oft nicht an. GutachterInnen bestreiten oft unmittelbare Zusammenhänge, und die Sozialgerichte tun sich schwer, gegen die ArbeitsmedizinerInnen im Dienste der Industrie zu entscheiden.

Paasch war seit 1970 bei der Lufthansa beschäftigt. Dabei war er unstrittig nerven- und immunschädigenden Lösungsmitteln wie Perchloräthylen (PER) ausgesetzt. Die PER-Dämpfe entstanden, weil die feuchten Maschinenteile nicht abgelüftet wurden und sich somit beim Verschweißen das PER verflüchtigte. Ab 1988 waren die PER-Dämpfe abgesaugt worden, erst 1989 erkannten MedizinerInnen bei Paasch einen „Ursachenzusammenhang“ zu seinem chronischen Krankheitsbild.

Organische Lösungsmittel wurden in jener Zeit in vielen Industriebereichen in Unkenntnis der Spätfolgen intensiv eingesetzt. Sie wurden wegen ihrer enormen Fettlöslichkeit genutzt. Die Flüssigkeiten verfliegen leicht und werden dann durch die Lungen über das Blut im Körper aufgenommen. In den Fettgewebe des Körpers reichern sich die Stoffe an und entwickeln von dort ihre vernichtende Giftwirkung vor allem auf Leber, Hirn und Nerven.

Das Sozialgericht konnte sich im März nicht zu einem schnellen Urteil durchringen, weil die Lufthansa die PER-Belastung geringfügiger einschätzt, und es vertagte das Verfahren, um in einer Beweisaufnahme Lufthansa-MitarbeiterInnen über die damalige PER-Konzentration als Zeugen zu vernehmen. Und das, obwohl der Hamburger Umweltmediziner und Toxikologe, Dr. Rainer Fabig – der sich wegen seines Engagements für die dioxinverseuchten Boehringer-ArbeiterInnen einen Namen machte – die PER-Diagnose bestätigte. Die radiologischen Befunden belegen für ihn eindeutig, dass das Krankheitbild auf eine toxisch verursachte Hirnschädigung zurückzuführen ist.

Paaschs Fall ist ein typischer: „Wir haben den Kampf gegen die Arbeitsmediziner aufgegeben“, sagt Lothar Lißner von der Hamburger DGB-Kooperationsstelle resigniert. Es fänden sich immer GutachterInnen, die andere Ursachen favorisieren. Dennoch war Paaschs „Kampf" nach Aussage des Sprechers von „abe-Kra“ (Verband arbeits- und berufsbedingt Erkrankter), Jürgen Ohlert, nicht vergebens. „Es klagen immerhin noch zwei weitere Lufthansa-Kollegen“, sagt er. Der eine ist aber schon so krank, dass er nicht einmal zur Trauerfeier für Paasch kommen kann.