: Mutig und unerschrocken
Die baskische Journalistin Carmen Gurruchaga erhält den Friedenspreis von „Reporter ohne Grenzen“
Wer Carmen Gurruchaga treffen will, der muss Geduld haben. Die Halle eines großen Hotels oder die Cafeteria von El Mundo dienen als Ort. Kontakte gehen nur per Handy. Ihre Wohnung, ihr Festanschluss sind wohlgehütete Geheimnisse, denn die 45-Jährige steht auf der schwarzen Liste der baskischen Separatistengruppe ETA.
Seit über 20 Jahren schreibt die Tochter aus großbürgerlich-nationalistischem Hause über die Situation ihrer von Gewalt zerrissenen Heimat. Sie verfügt über gute, für viele über zu gute Kontakte zu allen gesellschaftlichen und politischen Kreisen. Das machte sie zur unumstrittenen Spezialistin des Themas, das Spaniens Öffentlichkeit wie kein zweites bewegt. Ihre scharfe Feder und ihr tiefes Wissen lassen sie Artikel schreiben, die immer wieder Licht in die dunklen Punkte der baskischen Politik bringen. Die kleinste Unstimmigkeit im politischen Umfeld der ETA, Diskussionen unter den Gefangenen oder gar in der Organisation selbst kennt sie genauso gut wie die Streitigkeiten in der baskischen Regierung. Carmen Gurruchaga ist immer die Erste, die interessante Themen aufspürt. Dieser Hang zur gründlich recherchierten Berichterstattung gefällt nicht immer. So explodierte im Dezember 1997 eine Bombe vor dem Haus, in dem sie mit ihren beiden Söhnen wohnte. Obwohl sie nach eigenen Angaben gelernt hat, „mit der Angst zu leben“, verließ sie ihre Heimatstadt San Sebastián. Heute lebt sie im „Exil“ in Madrid unter ständigem Polizeischutz.
Carmen Gurruchaga ist längst kein Einzelfall mehr. 100 baskische Journalisten verfügen über polizeilichen oder privaten Schutz, zehn von ihnen haben es Carmen Gurruchaga nachgetan und das Baskenland verlassen. „Nationalismus kann leicht zum Faschismus umschlagen“, heißt eine der Lehren, die Gurruchaga aus diesem „ständigen Druck“ gezogen hat. Erst im Mai dieses Jahres war ihr Kollege, der Kolumnist Lopez de la Calle, der Polizeischutz abgelehnt hatte, von Etarras vor seinem Hauseingang erschossen worden.
Gurruchaga weiß, dass die Schüsse nicht nur dem Kolumnisten, sondern auch den anderen Kollegen, die aus oder über das Baskenland schreiben, galten. Aufgeben kam ihr dennoch nie in den Sinn. „Ich gehöre zu denen, die an die Wahrheit glauben. Die Menschen haben ein Recht zu lesen, was passiert“, erklärte Gurruchaga vor zwei Jahren, als sie von der spanischen Sektion der „Reporter ohne Grenzen“ ausgezeichnet wurde, den Grundsatz ihres Schreibens, der ihr so viel Respekt in der Zunft und der Leserschaft eingebracht hat. REINER WANDLER
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