: Käsespätzle mit Börek, Schupfnudeln auf Kissir
Zugereiste in Berlin: Türken und Schwaben sind zwei große Minderheiten der Hauptstadt. In Wedding trafen sich die beiden Bevölkerungsgruppen zu einem interkulturellen Heimattreffen. Motto: „Was ist die Mehrzahl von Heimat?“ Mit dabei: der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir
Käsespätzle mit Börek, Schupfnudeln auf Kissir, Apfeltee und „Obertürkheimer Kirchberg“. Die Kombination von Türkei und dem Schwabenland ist nicht so absurd, wie sie kulinarisch klingen mag. Die Schwaben sind, so sagen viele selbst, nach den Menschen türkischer Abstammung die zweitgrößte Minderheit der Hauptstadt. Ihre Zahl wird auf über 200.000 geschätzt. Zugereiste Berliner aus der Türkei, Schwaben und dem Rest der Welt unternahmen am Freitagabend im „Sparrladen“ in Wedding einen kulinarischen und verbalen Definitionsversuch des Begriffes Heimat. Der Abend war Teil einer Diskussionsreihe des Weddinger Quartiersmanagements. Thema: „Was ist die Mehrzahl von Heimat?“
Die lebende Schnittmenge zwischen den Minderheiten war der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir. Der Sohn türkischer Eltern ist im schwäbischen Urach in Baden-Württemberg aufgewachsen. Von Integrationsproblemen wusste er nicht zu berichten. Schließlich gehörte der schwäbelnde Türke schon durch seinen Dialekt dazu. „Meine Schulkameraden sagten manchmal: Mensch Cem, bist ja doch a rechter Kerle.“
Auch Brigitte Kretschmann, geboren im Schwabenland und seit acht Jahren Berlinerin, konnte bestätigen, dass die Heimat verbal gefunden wird. Die Mutter von zwei Kindern kennt ganze drei Berliner Frauen – dafür eine ganze Menge Schwaben. Viermal ist die 30-Jährige innerhalb Berlins bereits umgezogen – in jedem Haus hatte sie es schwäbeln hören. „Berlin ist zwar eine Art von Heimat, aber so richtig warm ums Herz wird mir auf der Strecke der Schwäbischen Eisenbahn“, sagte Kretschmann. Diskriminiert fühlt sie sich in Berlin nicht. „Die Leute lächeln immer, wenn ich den Mund aufmache, weil sie wissen, wo ich herkomme.“
Diesen Eindruck von der schönen Welt ohne Diskriminierung konnten die anwesenden türkischen Frauen allerdings nicht bestätigen. Yasemin Saka zum Beispiel saß stumm in der letzten Reihe. Die 27-Jährige lebt seit 1990 in Berlin und spricht nur gebrochen deutsch. Im Gegensatz zu der Schwäbin wird sie nur selten belächelt, wenn sie den Mund aufmacht: „Ich würde gerne mehr auf Deutsche treffen“, sagt sie. „Doch ich weiß nicht, wie.“ Um mehr auf die Deutschen zugehen zu können, besucht sie einen Deutschkurs an der Volkshochschule Wedding. Und während die anderen Diskussionsteilnehmer rege über Heimat und Integration diskutieren, sagte Yasemin Saka kein Wort.
Integration – das ist offenbar ein Sprachproblem. Nicht nur in Berlin, sondern auch im Schwabenland. „Meine Eltern leben seit fünfzig Jahren in Urach“, erzählte eine Frau aus dem Publikum. „Und in Schwaben nennt man sie immer noch ‚Die Zugereisten‘.“INGRID GEGNER
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