Erlebte Kontinuität

■ Die „Go-Betweens“ und die zweite Chance nach 13 Jahren

„Es gibt Erlebnisse mit Popmusik, die gehören einem ganz alleine. Niemand kann sie verkaufen, Eintritt dafür nehmen oder sie copy-righten lassen“. Dieser Satz aus einer englischen Musikzeitschrift erinnerte mich neulich an mein Erlebnis mit den Go-Betweens von 1987: Ein Freund, der schon ein Auto hatte, wollte mich mit auf deren Konzert nach Frankfurt nehmen. Große Vorfreude, am entscheidenden Tag aber wurde ich krank, irgendeine Form der Erkältung, und kam nicht zum Konzert. Dieses enttäuschende Erlebnis hat niemand verkauft, gecopyrighted oder sonstwas, hat aber meine Go-Betweens-Rezeption bis heute geprägt.

Das leicht traurige Gefühl eines Versäumnisses, das ganz wunderbar zu vielen Songs der Go-Betweens passt, verschmilzt bis heute mit der unaufgeregten Melancholie, die da beinahe vernünftig vorgebracht wurde. Das war emotionale Musik, die aber weniger gefühlt als verstanden werden wollte. Es war, wie Robert Forster es in „Spring Rain“ erklärte, tatsächlich wahrscheinlich, dass sich eine herbeigesehnte Veränderung im Leben wie Frühlingsregen anfühlen könnte.

Dass sich jetzt eine zweite Chance bietet, und dass die Go-Betweens nach 12 Jahren Pause eine neue Platte gemacht haben, fühlt sich auch so an: Es freut ungemein, macht aber auch einfach Sinn. The Friends of Rachel Worth macht fast da weiter, wo 16 Lover's Lane 1988 aufgehört hat.

Dabei haben Robert Forster und Grant McLennan, die Songschreiber und einzigen Dauermitglieder der Band, in den letzten 12 Jahren natürlich weiterhin Musik gemacht und gehört. Es fehlt hier der gewohnte Einsatz von Streichern oder Oboen, und auch das entschiedene Schlagzeugspiel von Lindy Morrison könnte man vermissen. Stattdessen haben sich die beiden aber mit den Mitgliedern von Sleater Kinney zusammengetan, und die haben bekanntlich in der zweiten Hälfte der 90er nochmal wirklich spannenden Punkrock aufgenommen. So blitzt zwischen der Go-Betweens-Melancholie auch gelegentlich ein gewisser jugendlicher Ärger und so etwas wie Euphorie auf, ohne dass man den Punkrock wirklich bemühen müsste.

Diese Kontinuität lässt die große Rock-Rebellen- oder Erneuerer-Geste vermissen, die von Gitarrenbenutzern vielerorts erwartet wird. Den konkret-Rezensenten etwa riss sie zur Feststellung hin, dass Rachel Worth „mit Fortschritt so viel zu tun hat, wie ein handgeschmiedeter Pflug“. Diesem Realsoz-inspirierten Vergleich könnte man im selben Duktus entgegnen, dass die Go-Betweens von Anfang an einem alten Idealbild entsprachen: halb Dandies und halb Traktoristen.

Georg Felix Harsch

 heute, 16 Uhr, Michelle Records (Gertrudenkirchhof); 21 Uhr, Logo