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Philosophischer Führungsstil

PUA-Filz: Bürgermeister Runde ließ sich von der CDU auch gestern nicht vorführen. Vieles sei ihm „nicht mehr erinnerlich“  ■ Von Sven-Michael Veit

Wieder dieselbe Scheu. Solange die Fotografen knipsten, blieb Ortwin Runde stehen. Wie schon bei seinen Aussagen im vorigen Jahr wollte der SPD-Bürgermeister auch gestern Abend vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Filz nicht auf dem Zeugensessel Platz nehmen. Erst als die Fotografen den Großen Sitzungssaal im Rathaus verlassen hatten, setzte sich Runde den bohrenden Fragen vornehmlich der CDU-Mitglieder des PUA aus. Diese hatten die erneute Befragung des Regierungschefs, der von 1988 bis 1993 Senator der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) gewesen war, durchgesetzt (taz berichtete).

Gar so viel Freude hatten sie da-ran aber nicht. Auch konkreteste Vorhaltungen zum sogenannten Pape-Skandal der frühen neunziger Jahre wusste Runde zu parieren. Das eine oder andere sei ihm „nicht mehr erinnerlich“, aber für die Tragweite der Vorwürfe gegen den Altonaer SPD-Politiker sei er damals „sehr wohl sensibilisiert gewesen“.

Michael Pape, SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Altona und Geschäftsführer des Beschäftigungsträgers Altonaer Jugendarbeit, hatte von BAGS und Arbeitsamt finanzierte ABM-Kräfte zur Sanierung seiner Privathäuser eingesetzt. 1995 wurde er wegen Veruntreuung rechtskräftig verurteilt. In seinen Vernehmungen vor dem PUA im Februar 1999 hatte sich Runde an kaum ein Detail aus seiner Amtszeit in der BAGS erinnern können; allerdings wusste er noch, dass er über die Pape-Affäre nicht informiert worden sei. Dass war ihm auch gestern noch „gewärtig“.

Zu Beginn der Ausschusssitzung hatte der ehemalige BAGS-Abteilungsleiter Joachim Meyer von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch gemacht, da gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage vor dem PUA anhängig ist. Die CDU hatte ihn angezeigt, da sie seinen früheren Aussagen vor dem Gremium wenig bis keinen Glauben schenkte. Nun aber scheiterte sie mit dem Versuch, den Abteilungsleiter als Kronzeugen gegen Runde aufzubauen. Meyer hatte vorige Woche in einer schriftlichen Stellungnahme Runde belastet. Er habe, so Meyer, „die Behördenleitung überwiegend mündlich umfassend unterrichtet“ über den Pape-Skandal.

Natürlich habe es „Gespräche gegeben, auch mit Herrn Meyer“, räumte Runde ein, aber „über wesentliche Punkte der Affäre“ habe dieser ihn „mündlich sicher nicht in Kenntnis gesetzt“. Konkrete Anweisungen zur innerbehördlichen Aufklärung des Pape-Skandals habe er nicht erteilt, gestand Runde ein. Das zuständige Fachamt und die Rechtsabteilung der Behörde seien „der Sache“ nachgegangen, darauf habe er sich verlassen.

Denn sein Führungsstil, so der Hamburger Bürgermeister, basiere weniger auf Befehl und Anordnung: „Ich führe über Philosophie.“

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