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Im Reich des Unerklärlichen

■ GAL-Vorstand: Schiedsgericht über Wahlanfechtung versinkt im Sponti-Sumpf der frühen Jahre

Alle Klarheiten wurden beseitigt. Das parteiintere Schiedsgericht der GAL versank im Sponti-Sumpf der frühen grünen Jahre. Was seit Anfang der 80er Jahre „eben irgendwie immer so gemacht wurde“, seufzt ein Beteiligter, der wie andere auch namentlich nicht genannt werden möchte, „ist in diesem Fall gründlich schiefgegangen“.

Etwa zwei Dutzend Zeugen werden nun zusätzlich schriftlich befragt, befanden die Parteischiedsrichter. Die Hängepartie dauert deshalb noch mindestens zwei Wochen an, die Legitimation des amtierenden GAL-Parteivorstandes steht weiterhin in Frage. Es sei denn, dass ein nach etwa dreistündiger Verhandlung vorgelegter Kompromissvorschlag akzeptiert würde: Die Grüne Jugend solle ihre Anfechtungsklage zurücknehmen und der Landesvorstand durch Rücktritt den Weg für Neuwahlen freimachen. Sollten die Kontrahenten dieser „politischen Lösung“ zustimmen, könnte Anfang Dezember eine Mitgliederversammlung (MV) die Parteispitze neu küren.

In mündlicher und nur GALierInnen zugänglicher Verhandlung hatte das fünfköpfige Schiedsgericht am Montagabend die Frage klären wollen, ob die Wahlen zum Landesvorstand der Hamburger Grünen auf der MV am 9. September rechtmäßig waren. 25 Mitglieder, vornehmlich aus der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend, hatten die Wahl der Parteilinken Antje Radcke angefochten. Diese hatte sich mit zwei Stimmen Vorsprung gegen Heike Opitz durchgesetzt, nachdem der erste Wahlgang von Versammlungsleiter Rainer Scheppelman für ungültig erklärt worden war. Die Zahl der abgegebenen Stimmen, so seine Begründung, habe um eine über der Zahl der ausgegebenen Wahlkarten gelegen. Im annullierten Wahlgang hatte Opitz, Kandidatin der Grünen Jugend und unterstützt von weiten Teilen der Realos, noch vor Radcke gelegen (taz berichtete mehrfach).

Scheppelmann, zur Zeit stellvertretender Senatssprecher und seit vielen Jahren routinierter Leiter von GAL-MVs, hat die Annullierung wohl „nach bestem Wissen und Gewissen“ vorgenommen, so schälte sich am Montagabend bei der Verhandlung heraus; gleichwohl könnte er formal inkorrekt gehandelt haben. Das Wahlprocedere, das sich bei der GAL seit fast 20 Jahren eingebürgert hat, aber nicht per Satzung oder Wahlordnung unmissverständlich geregelt ist, habe sich „als einziger Sumpf erwiesen“; die Wahlvorgänge auf der MV am 9. September strotzten, so die Erkenntnis des Gerichts nach der Befragung von fünf Zeugen, „von einer Serie von Pannen“, die nun möglichst aufgeklärt werden soll.

Ist es zum Beispiel lediglich auf mangelnde Schönschrift zurückzuführen, dass auf der Mitgliedsliste des Kreises Eimsbüttel für zwei unstreitig anwesende GALierInnen nur ein Haken gemacht wurde, würde das Schiedsgericht gern wissen. Oder warum wurde auf der Altonaer Liste die Angabe „12 Mitglieder“ nachträglich handschriftlich in „14“ geändert? Und trifft es zu, dass das 13te Mitglied anwesend war, das vermeintliche 14te aber nicht? Und stimmt das Gerücht, eine Eimsbüttler GALierin sei samt ihrer Wahlkarte noch vor dem ersten Wahlgang kränkelnd wieder nach Hause entschwunden?

All das möchte das Schiedsgericht „im Sinne der Wahrheitsfindung“ nun in Erfahrung bringen. Kurz gesagt: Es würde zu und zu gern wissen, ob bei einer Partei, die in einem deutschen Bundesland mitregiert, Vorstandswahlen im Reich des Unerklärlichen stattfinden. Sven-Michael Veit

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