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Kammer-Folk-Pop

■ Ehrgeizig: Die Delgados im Logo

Als die Delgados ihr erstes Album Domestiques nannten, war ihnen da wohl bewusst, wie treffend der Titel ihre eigene Situation beschrieb? Im Radsport sind die Domestiken dafür da, um die Siegfahrer, die Stars besonders gut aussehen zu lassen – eigene Ambitionen müssen zurückstehen. Die vier Musiker der schottischen Band sind zugleich die Betreiber des Indie-Labels Chemikal Underground, und als Labelmacher brachten sie Bands wie Mogwai, Arab Strap oder Bis die verdiente Öffentlichkeit. Die eigene Band drohte dagegen immer etwas in den Hintergrund zu geraten.

Mit dem dritten Album The Great Eastern sollte sich das alles ändern. Gut, die Aufnahmen muss-ten wegen einer neuen Mogwai-Platte unterbrochen werden, aber danach ging es zurück nach Amerika, in Dave Fridmanns Studio. Fridmann ist der Produzent, der hilft, wenn verkannte Indie-Bands große Ambitionen entwickeln – Mercury Rev und den Flaming Lips verhalf er zum richtigen orchestralen Sound für die ganz großen Gefühle, und damit zu kommerziellem Erfolg und Kritikerlob.

Speziell die schottische Presse bejubelte The Great Eastern, und das ist nicht verwunderlich, denn die umtriebige Glasgower Indie-Szene ist bekannt für eine gewisse Selbstgenügsamkeit. Die brachte großartige Musik hervor, von Belle & Sebastian oder Teenage Fanclub zum Beispiel, aber die schottische Band Travis erreichte den ganz großen Erfolg erst nach dem Umzug nach London – „Wir sind geflohen vor dieser speziellen Coolness“ –, Ehrgeiz ist uncool in Glasgow.

Ehrgeizig ist das Album der Delgados allemal, Streicher und Bläser füllen die Lücken des brüchigen Songwritings der Band. Doch genau das Songwriting ist die Schwäche von The Great Eastern – wo die Melodien der Flaming Lips nach den Sternen greifen, bleiben Emma Pollock und Alun Woodward, die sich mit dem Gesang abwechseln, immer in Bodennähe. Dieser Kontrast zur orchestralen Produktion hat zwar seinen Charme, erst recht wenn auf der neuen Single „No Danger“ ein Kinderchor den Refrain mitsingt. Aber die Grandiosität steckt hier nur im Gestus, nicht in den Gefühlen.

Konsequent ist, dass die für eher uncharismatische Auftritte bekannten Delgados ihre Europa-Tournee nun mit einem Kammerorchester bestreiten, das die Folk-Popsongs begleitet. Neulich wurden die Delgados übrigens für den „Spirit Of Scotland Award“ nominiert – die Begründung: „Sie leisten einen bedeutenden Beitrag zur schottischen Musikindustrie.“ Ach herrjeh, da war wieder nur das Label gemeint! Felix Bayer

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