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Der Enkeltrick – gescheitert

Bankangestellte und Großmutter überlisten gemeinsam Betrüger. Der wurde gestern zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt  ■ Von Elke Spanner

Am Anfang war Annemarie A. sogar empört. Es war ihr Geld, ihr Leben lang hatte sie es sich zusammengespart, und damit könne sie schließlich machen, was sie wolle. Und wenn sie es eben dem Enkel für seine Eigentumswohnung schenken will, was geht das diese Bankangestellte an? Heute, sagt sie, hat sie eine etwas andere Sicht auf die Dinge. Heute weiß sie, die 30.000 wären weg, hätte die Bankangestellte nicht Annemarie A.s Empörung zum Trotz den Filialleiter und der die Polizei alarmiert. Denn die nahm den Ganoven fest, der sich als Bote des Enkels ausgegeben und als Trickbetrüger herausgestellt hatte. Gestern verurteilte ihn das Amtsgericht zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Es war ein Donnerstag Nachmittag im Mai, als das erste Mal das Telefon klingelte. „Rate mal, wer dran ist“, forderte eine Männerstimme, und Annemarie A. gab nichts Böses ahnend des Namen ihres Enkels preis: „Bist Du das, Cord?“ Im nachhinein erinnert sich die Rentnerin, dass sie die Stimme des vermeintlichen Enkels am Telefon schon etwas seltsam fand. Das habe sie ihm auch gesagt, doch er redete sich mit einer Erkältung heraus. Und hatte ihr Sohn nicht erst zwei Tage zuvor erzählt, dass Enkel Cord einen Schnupfen habe?

Am nächsten Morgen rief der vermeintliche Verwandte wieder an. Hör mal, Oma, habe er gesagt, ich habe eine schicke Eigentumswohnung gefunden, für die bräuchte ich noch 30.000 Mark, bitte. Nun war es so, dass „der Junge noch nie auch nur um eine Mark gebettelt hatte“, und sie war nun mal seine Oma, also „habe ich es als Oma getan“. Annemarie A. ging wie aufgetragen zur Sparkasse – und dank der Bankangestallten statt mit den 30.000 Mark mit einem Polizeibeamten als Begleiter in ihre Wohnung zurück.

Dort klingelte das Telefon erneut: „Bitte, Oma, ich hätte die Wohnung doch so gern“. Das Geld würde ein Kumpel gleich abholen, Siegfried mit Namen, er selbst säße gerade bei dem Makler fest. Also ging die Rentnerin zum Schein erneut zu ihrer Sparkasse. Diesmal trug sie von dort einen mit Papier gefüllten Umschlag nach Hause. Ein Polizist versteckte sich im Badezimmer, und kaum klingelte jener „Siegfried“ an der Wohnungstür, klickten auch schon die Handschellen zu.

Siegfried heißt eigentlich Sebastian P., stand gestern vor Gericht und will zu den Handschellen gekommen sein wie die Jungfrau zum Kinde. In einem Spielsalon auf dem Kiez habe er an jenem Morgen einen flüchtigen Bekannten getroffen, nicht mal dessen Namen habe er gekannt. Der habe ihm 100 Mark dafür in die Hand gedrückt, dass er sich Siegfried nennt und für ihn etwas abholen fahre, was, habe er nicht gesagt.

„Bei dem Enkeltrick handelt es sich geradezu um ein Modedelikt“, schimpfte der Staatsanwalt und hielt dem Angeklagten vor, „ganz bewusst schwächere Mitglieder der Gesellschaft auszunutzen“. Dessen Rechtsanwalt hingegen findet, dass die zumindest finanziell dann doch nicht geschädigte Annemarie A. seinem hinterlistigen Mandanten sogar dankbar sein könne: „Die Folgen der Tat sind doch eher positiv“, befand er: „Dass die alte Dame jetzt misstrauischer ist, ist positiv, wenn sie im Leben bestehen will“.

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