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Kompromiss bei Videoüberwachung?

■ Rückzugsgefechte in der Bremer Neustadt: SPD und CDU feilen an Kompromissen zur geplanten Polizeigesetzreform

Was tut ein SPD-Innenpolitiker, wenn er vor der Neustädter CDU zum Thema Innere Sicherheit – aus CDU-Sicht also zu einer von der SPD verschleppten Reform – auftritt? Er geht auf Nummer sicher – und zieht erst mal die Lacher auf seine Seite. „Ich habe mich gefragt, was will der Jörg Jäger vom Sozi Kleen, dass er ihn einlädt?“, wendete sich Kleen an den Moderator und antwortete sich selbst unter freundlichem Gelächter des spärlichen Publikums: „Ein echtes Halloweengefühl.“

Richtig zum Gruseln brachte „der Sozi“ am Halloween-Dienstagabend beim folgenden Schlagabtausch mit CDU-Fraktions-Vize Michael Teiser dann aber niemanden – obwohl Gegenspieler Teiser sich nicht ganz erfolglos bemühte, die ZuhörerInnen durch eine ziemlich grobe Skizze der innenpolitischen SPD-Haltung anzuheizen: „Die schützen Einzelgruppen, wir interessieren uns für die Sicherheit von 98 Prozent der Bürger.“ Beim strategisch misslungenen Versuch, dem CDU-Publikum seine Ablehnung von verdachtsunabhängigen Kontrollen nahe zu bringen, steckte Kleen seinen Fuß vielmehr selbst in den Fettnapf. Seine emotionale Ansprache – „erinnern Sie sich an Ihr ungutes Gefühl bei Reisen in der damaligen DDR gegenüber Polizis-ten“ – kam beim Publikum nicht an. Da sehe man doch die von Teiser beschworene innenpolitische SPD-Haltung „im Grunde misstrauisch gegenüber der Staatsmacht und ständig in der Annahme, Polizeibeamte würden willkürlich handeln“.

Diese grobe Schlacht ersparte Teiser denn auch eine Stellungnahme zur Position Kleens, dass Polizei so lange nichts in den Taschen von BürgerInnen zu suchen habe, wie es keine Anhaltspunkte für Straftaten gebe. Der Umkehr dieses Grundsatzes werde er keinesfalls zustimmen, so Kleen vor überwiegend männlichem, unauffällig grau-beigem Publikum, das bekundete, gerne den Ausweis vorzuzeigen, wenn dadurch Straftäter gefangen würden.

Auch Lauschangriff und Todesschuss lehnt Kleen ab – „für den es im Koalitionsvertrag keine Grundlage gibt.“ Teiser blieb locker: „Der finale Rettungsschuss ist für mich nicht der wesentliche Punkt. Wenn die anderen Punkte im Gesetz drin wären, wäre das schon ein wesentlicher Erfolg.“

Kompromissen näherten sich die beiden Innenpolitiker dennoch an. Bei der Videoüberwachung öffentlicher Plätze schwenkte Kleen ein: Würde aufgezeichnet und nach Ein-, Zwei-Tages-Frist automatisch gelöscht, sei das denkbar, zumal die Personalfrage sich so schlüssig beantworten ließe. Auch Teiser machte einen kleinen Schritt Richtung eingeschränkte verdachtsunabhängige Kontrolle: Man könne Bezirke dafür ausweisen. Bereits jetzt agierten Bundesgrenzschutz und auch Zoll in Häfen, Flugplätzen und Bahnhof. Dabei hatte der CDU-Rechtsaußen zuvor keinen Zweifel gelassen, dass er Überwachung liebt – um viele aus seiner Sicht dubiose Gestalten aus Innenstadt und Bremer Viertel vertreiben zu können.

ede

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