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Und nach dem Essen immer Golgatha ...

■ Der Glaube bröckelt allerorten: Gegen seinen Verfall und auch gegen Bibelunkenntnis setzt die Evangelische Kirche auf Mission / Die wenigen, die noch an so etwas wie überirdische Wesenheiten glauben, tun das lieber auf fernöstliche Art und Weise

„Was bedeuten eigentlich die Pluszeichen auf den Kirchen?“ Pastor Louis-Ferdinand von Zobeltitz, Schriftführer der Bremisch-Evangelischen Kirche ist um Beispiele von der Unkenntnis christlicher Symbole nicht verlegen. Leider, aus seiner Sicht. Obige Frage nach den Kirchenkreuzen stellte ein 12-Jähriger der niedersächsischen Bischöfin Margot Käßmann. „Und so etwas erlebt man alle Tage“, stöhnt von Zobeltitz. Bibelkenntnis steht nicht hoch im Kurs. Der Pastor befürchtet eine „Erosion der Grundlagen unserer Kultur“.

Die Gegenstrategie der Kirche klingt nicht gerade originell: „Mission, Überzeugungsarbeit in der alltäglichen Lebensführung“ sind nach von Zobeltitz die Mittel der Wahl. „In einer Gesellschaft, in der Golgatha für eine Zahncreme gehalten wird, kann die Kirche auf Mission nicht verzichten.“

Was so humorig daherkommt, ist eine ernste Sache. Denn Kenntnisse allein sind, wie man weiß, der Kirche nicht genug. Es fehlt am Glauben – und zwar bei vielen. In 25 Jahren ist die Zahl der Gemeindemitglieder um etwa die Hälfte geschrumpft. In Bremen auf rund 270.000.

Doch auch denen ist, so fürchtet von Zobeltitz, glaubensmäßig nicht einfach über den Weg zu trauen. „Es gibt eine Orientierungskrise, Unsicherheit im Glauben haben wir auch bei der Mitarbeiterschaft“, vermutet der Pastor. „Heute muss man sich dafür rechtfertigen, wenn man zu einem scheinbar verstaubten Laden wie der Kirche gehört“.

Also soll es eine Neuauflage missionarischen Wirkens – nach innen und nach außen – geben. „Die Angebote der Kirche sollen ihre Herkunft aus dem christlichen Glauben nicht verleugnen“, wünscht sich von Zobeltitz. Wenn Eltern ihre Kinder in einen evangelischen Kindergarten bringen, dann müssen diese auch davon ausgehen, dass ihr Kind die christlichen Feste dort feiert. Und der muslimische Nachwuchs muss mitfeiern? „Um Himmels willen: nein“, sagt Zobeltitz, man könne auch deren Feste feiern. Aber was sei schlimm daran, wenn auch sie merken: das ist ein kirchlicher Kindergarten?

Bei den Bremer Katholiken hat man vom Problem grassierender Säkularisierung freilich auch schon gehört, „wiewohl man hier die Mission nie eingestellt hat“, sagt der Sprecher der Katholischen Kirche in Bremen, Wilhelm Tacke – und als solcher notorischer Verkünder der „frohen Botschaft“. „Mit Feuer und Schwert hat das heute natürlich nichts mehr zu tun“, versichert Tacke und erinnert ans päpstliche Wort von der „europäischen Mission“.

Tackes Besuch auf der Expo war in dieser Hinsicht leider ein Flopp. Im Pavillion des Bertelsmann-Verlags musste der Kirchenmann einen Film mitansehen, in dem ein kleiner Junge Antworten auf letzte Fragen sucht. Er wird fündig im Hinduismus und auch im Islam. „Ja, weist denn das Christentum keinen Weg, mit seinem Leben klarzukommen?“, hat sich Tacke gewundert – der natürlich um Gottes Willen an der Religionsvielfalt nicht kratzen will. Doch frei nach dem Motto: Was haben die, was wir nicht haben?, wurmt es ihn schon ein wenig, wenn das bisschen Restglaube dann auch noch bei fernöstlichen Religionen unterkriecht. Allen „aggressiven“ Varianten der Mission erteilt aber auch er eine klare Absage. „Indoktrination“, sagt der Katholik. Um die geht es auch der evangelischen Kirche nicht. Pastor von Zobeltitz will den Missionsbegriff „von allen subtilen und angstmachenden Varianten“ abgrenzen.

Dass Jesus nicht am Pluszeichen gestorben ist, müsste man vielleicht auch so vermitteln können. hey

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