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Fieberfrei in den Winter

Finanzsenator verhängt eine informelle Haushaltssperre. Peter Kurth (CDU) will damit das so genannte Dezemberfieber unterbinden: das restlose Ausschöpfen der Ressourcen

Das Instrument der Haushaltssperre wird zur festen Größe der Berliner Finanzpolitik. Um die Haushaltslücke für das Jahr 2000 nicht noch weiter aufklaffen zu lassen, hat Finanzsenator Peter Kurth erneut eine generelle Sperre über die Ausgaben der einzelnen Senatsressorts verhängt. Die per Rundschreiben verfügte Maßnahme ist die informelle Variante einer Haushaltssperre.

Bis mindestens zum Jahresende müssen alle gesetzlich nicht vorgeschriebenen Maßnahmen wie Büroanschaffungen und Auszahlungen, die nicht bereits vertraglich geregelt sind, einzeln genehmigt werden. Kurth hofft damit, das „Dezemberfieber“ zu stoppen. Unter „Dezemberfieber“ fassen HaushälterInnen das Phänomen in der Verwaltung, noch vor Jahresende alle finanziellen Mittel auszuschöpfen. Dies zielt in den Verwaltungen darauf, im folgenden Jahr nicht von Beginn an mit einem geringeren Bedarf eingestuft zu werden.

In seinem „Brandbrief“ an die Verwaltungen schreibt Kurth, seine Zustimmung zu weiteren Anschaffungen und Ausgaben gebe es künftig nur, wenn die Zahlung „schlüssig begründet oder nachgewiesen wird“. Nach Angaben von Kurths Sprecher Klaus Dittko ist jetzt schon absehbar, dass mehrere Verwaltungen ihre Haushaltsposten deutlich überziehen werden. Die angestrebte Minderung der Ausgaben für den Berliner Gesamthaushalt von etwa einer halben Milliarde Mark steht damit in Zweifel. Ob es zu weiteren Maßnahmen kommt, hängt auch von der für den November erwarteten Steuerschätzung ab. Sie soll einen realistischen Einblick in die Gesamtsteuereinnahmen für das laufende Jahr geben.

Die Haushaltsexperten der Opposition beurteilten gestern die Haushaltssperre als Ergebnis der Haushaltspolitik von CDU und SPD. PDS-Fraktionschef Harald Wolf sagte, das jährliche Defizit sei schon immer absehbar: Bereits der Haushaltsentwurf beinhalte extrem hohe Risiken, die nicht kontrollierbar seien. Die Expertin der Grünen, Camilla Werner, betonte, die große Koalition behindere ihre eigene Politik der Haushaltskonsolidierung. „Ein großer Teil der Verwaltung ist unfähig oder unwillig, die Haushaltskonsolidierung praktisch umzusetzen.“ Der Finanzsenator gestehe mit der Sperre nun ein, dass „er die Ausgabewut seiner Senatskollegen nicht bändigen kann“.

BARBARA JUNGE

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