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Für eine gute Presse tut Scherf (fast) alles

■ Die SPD bleibt über den Beschluss zum Hafenamt verschnupft, aber ohne Alternativen

Mögen die Auseinandersetzungen zwischen Henning Scherf und seiner Partei in der vergangenen Woche nur atmosphärische Verstimmungen hinterlassen – für die beiden SPD-Parteitage am 11. und 18. November ist die Mobilisierung der Delegierten jedenfalls sicher. Am 11. soll der SPD-Unterbezirksparteitag Bremen-Stadt das umstrittene Thema „Privatisierung des Hafenamtes“ beraten, in der Woche darauf dann der Landesparteitag.

Das Vorpreschen des Senats bei seiner letzten Sitzung ist um so erstaunlicher, als in den bisher vorliegenden Anträgen für diese Parteitage zum Thema Hafenamt kaum etwas anderes beantragt wird, als der CDU-Wirtschaftssenator Hattig ohnehin wollte. SPD-parteiinterne Kritiker der „privatwirtschaftlichen Form“ waren erkennbar in der Minderheit; anders als der Senat, will der SPD-Unterbezirk nur den Sitz der Gesellschaft in Bremen haben. Fragt sich um so mehr, welches Motiv Scherf hatte, im Schnellverfahren einen Senatsbeschluss herbeizuführen?

Mit seinem Vorpreschen hat Scherf nicht nur den Landesparteitagsbeschluss vom 26. Juli übergangen. Im Fall der Hafengesellschaft wurde auch jede vorangehende Fachberatung in den Ressorts und der Staatsrätekonferenz bewusst umgangen. Ebenso wurden Deputationen und Fraktionen nicht befasst. Per Tischvorlage kam der Beschlussvorschlag des Wirtschaftsressorts am Dienstag früh in den Senat. Insbesondere die SPD-Ressorts sollten offensichtlich keine Chance zur fundierten Mei-nungsbildung bekommen. Als Grund für das Schnellverfahren nannte Scherf seinen Parteivorständen später ein für den Mittwoch angesetztes Treffen mit Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde. Für die dort verabredete Kooperation zwischen bremischen und hamburgischen Häfen aber war ein förmlicher Senatsbeschluss zum Thema bremisches Hafenamt nicht erforderlich.

Nach dem Senatsbeschluss sagte die Pressestelle die für Dienstag, 14 Uhr, routinemäßig angesetzte Senatspressekonferenz ab und stimmte statt dessen mit einer Reihe handverlesener Journalisten einen Gesprächstermin mit Scherf und Wirtschaftssenator Josef Hattig im Rathaus ab. Die geladenen Journalisten seien „zur Verschwiegenheit über den Termin“ aufgefordert worden, empörte sich daraufhin die Vorsitzende der „Landespressekonferenz“ und protestierte heftig gegen dieses Vorgehen. Das ist nach einem Beschluss des Bremer Verwaltungsgerichts zudem rechtswidrig: Wenn die Exekutive die Öffentlichkeit informiert, darf sie keine Vorauswahl von offenbar genehmen und weniger genehmen Journalisten treffen.

Auch im Zusammenhang mit diesem Vorgang drängt sich der Eindruck auf, dass Scherf für seine Hamburg-Fahrt eine „gute Presse“ haben wollte und ihm daher alles andere egal war. Dem entspräche auch, dass Scherf noch kurz vor der Sitzung mit empörten Unterbezirksvorständen und dem SPD-Landesvorstand am vergangenen Freitag über Radio Bremen ankündigte: „Ich werde mich entschuldigen“. Dies aber geschah nicht, wie der SPD-Landeschef Detlev Albers auf taz-Nachfrage erklärte. Heute Nachmittag wird die SPD-Fraktion mit Scherf über die Vorgänge sprechen. K.W.

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