schnittplatz: Glucksende Gier
Mit dem Börsensegment wurde diese Woche der dritte tragende Block der rekonzipierten ARD-News-Show (Motto: „Wetter, Wirtschaft, Weltnachrichten“) gestartet. Ein weiterer Fortschritt für die „Tagesschau“.
Begonnen hatte alles mit dem Entschluss, den Wetterbericht vom Ende an den Anfang zu stellen. Das klassische Format der „Tagesschau“ war zu eng geworden, um der zunehmenden Vielfalt an Wetterformen und dem wachsenden Publikumsbedarf an sachkundiger Wetteraufklärung gerecht zu werden. Mit der Auslagerung der Finanz- und Börsenberichterstattung reagieren die Informationsprofis der ARD nun auf die generell grassierende Geldgier. Unter der Leitung des Fernsehveteranen Frank Lehmann liefert die nur zweiminütige Börsenshow eine Tour de Force durch die internationalen Finanzmärkte. „Brandaktuell“ wird das „Real-Drama Börse“ live vor Augen geführt, ein „Durchbruch in der Primetime“, so Lehmann. Unter dem Motto „Ohne Moos nix los“ liefert er dem Publikum Nutzwert pur. Dass der Spaßfaktor dabei nicht zu kurz kommt, dafür sorgt ein lockerer Moderationsstil, wie er bereits im Wettersegment erprobt wurde.
Dem steht mit Jörg Kachelmann ein studierter Klimakundler vor, der zugleich passionierter Entertainer und Exil-Schweizer ist. Beim Wetter hat er die Form der glucksenden Nachrichten-Animation perfektioniert.
Die Übertragung dieser Form auf das Börsensegment gehorcht dem Prinzip der graduellen Programmaufweichung: Das finale Bravourstück aber dürfte die Überarbeitung des Nachrichtensegments werden, das bislang als „Tagesschau“ firmierte. Auch sie leidet unter dem Ruf einer allzu großen Informationslastigkeit. Um heutigen Rezeptionsgewohnheiten entgegenzukommen, könnte das Lesetempo des Moderators erhöht und die Abspielgeschwindigkeit der Filmbeiträge beschleunigt werden.
Danach dann der Austausch des Anchorman: Mit Thomas Gottschalk und Manfred Krug stehen zwei Top-Talente zum Sprung auf den Moderatorenstuhl bereit. Sie dominieren schon jetzt die Werbung zwischen den Nachrichtenblöcken. Da Glatzen im Fernsehen nicht im Trend liegen, wird die Wahl wohl auf Gottschalk fallen. Seine Inauguration findet somit frühestens nach der nächsten Gebührenerhöhung statt. THOMAS SCHUSTER
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