: Rot-Grün hat kein Rezept für Mifegyne
Der Bundestag berät heute über die Abtreibungspille. Ein FDP-Vorschlag offenbart die Uneinigkeit der Koalition
BERLIN taz ■ Von einer „Speerspitze“ spricht FDP-Gesundheitsexperte Detlef Parr. Und tatsächlich bringt der liberale Gesetzentwurf zur Abtreibungspille, den der Bundestag heute in erster Lesung berät, die Regierung gehörig unter Druck. Denn seit der Lizenznehmer Femagen angekündigt hat, den Vertrieb wegen zu geringer Verkaufszahlen einzustellen, streitet die Koalition über die Zukunft von Mifegyne.
Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, will die Arzthonorare nun gesetzlich festlegen – und so die Pillenabtreibung für Ärzte lukrativer machen. Im Schwangerenkonfliktgesetz solle die Nachbehandlung der Patientinnen mit vier Stunden aufgeführt werden, um eine adäquate Abrechnung zu gewährleisten, sagte sie der taz. Doch beim Koalitionspartner stößt dies auf Ablehnung. Damit würde die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ausgehebelt, glaubt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Gudrun Schaich-Walch.
Nur in einem ist sich die Koalition einig: Der FDP-Entwurf gehe am Problem vorbei. Die Liberalen wollen den Sondervertriebsweg für die Pille abschaffen. Um Missbrauch zu verhindern, wird Mifegyne bisher nur direkt an Ärzte ausgegeben. „Die Pille wird nicht wegen des Sondervertriebsweges so selten angewandt“, so Schewe-Gerigk.
Die Grünen wollen den Kassenärztlichen Bewertungsausschuss umgehen. Dieser weigert sich bisher, die Kostenvergütung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs anzuheben. Für den Pillenabbruch veranschlagt er derzeit rund 300 Mark. Für einen operativen Eingriff erhalten die Ärzte bis zu 700 Mark, obwohl der Betreuungsaufwand vergleichbar ist. Schon im Juni hatten die Länder, die in 75 Prozent der Fälle die Kosten übernehmen, eine Neubewertung verlangt.
Die Länder, sagt nun das Familienministerium, seien bereits jetzt nicht an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden. „Damit hat sich der Punkt für mich im Grunde erledigt“, sagt Schaich-Walch. Beim Treffen der zuständigen Staatssekretäre der SPD-geführten Länder in zwei Wochen will die SPD-Abgeordnete diesen Ländern die neue Rechtsauslegung nahe bringen. Damit wäre jedoch das Ende einer bundesweit einheitlichen Lösung eingeläutet und die Gefahr groß, dass Länder wie Bayern sich verweigern. „Es wäre sicherer, wenn wir das im Gesetz festschrieben“, sagt Schewe-Gerigk.
Doch die SPD hat Angst vor einer neuen Debatte um den Paragraphen 218. „Wir können nicht ein Gesetz, dass so mühsam zustande gebracht wurde, nun einfach wieder aufdröseln“, betont Schaich-Walch. Sie setzt auf die Kräfte des Marktes. Es habe sich bereits ein Unternehmen gemeldet, das den Vertrieb künftig übernehmen will. „Anderes Unternehmen, andere Preisgestaltung.“ NICOLE MASCHLER
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