piwik no script img

Hypnotische Ton- und Lichteffekte

■ Sie will eine altbekannte Geschichte in Bildern erzählen: Die dänische Performerin Kristen Dehlhorn präsentiert die Produktion „Hotel Pro Forma“ auf Kampnagel

Grenzüberschreitungen sind in der freien Theaterszene eher normal. Doch wenn in der aufwendig vom dänischen Kulturinstitut unterstützten Reihe Danmark til Hamborg das Kopenhagener Theater-Projekt Hotel Pro Forma nach Hamburg kommt, wird Grenzüberschreitung in jeder Hinsicht zur Methode.

Seit die aus der bildenden Kunst kommende Performerin Kirsten Dehlholm im Jahr 1985 das Hotel gründete, sind um eine kleine, fünfköpfige Kerngruppe etwa dreißig Produktionen mit völlig unterschiedlichen Personen und Intentionen entstanden, wobei auch schon 700 Akteure auf öffentlichen Plätzen bewegt oder 57 Ruderer ins Museum für moderne Kunst platziert wurden. Die nun nach Kampnagel mitgebrachte Produktion Operation Orfeo ist das in gewissem Sinne konventionellste Stück des Kreativ-Hotels – schon weil es als einziges den Bühnenraum strikt auf ein abgegrenztes Quadrat beschränkt. Dazu kommt die strenge Form der Oper, wobei nicht nur deren europäische Ritualisierungen bedacht sind, sondern auch noch strengere japanische Kabuki-Gesten aufscheinen. So wird in dem metabarockem Singspiel auch nicht auf die originale Musik von Christoph Wilibald Gluck verzichtet, jedoch ergänzt um John Cage und Bo Holten, die gewissermaßen kontrastiert werden sollen. Doch auch wenn der ursprüngliche Auftraggeber das Königliche Theater Kopenhagens war, es geht bei Hotel Pro Forma nicht um Rekonstruktion. Ihre Arbeit an der baro-cken Form einer Orpheus-Oper setzt sie in die Gegenwart um – das Wortspiel Opera/Operation ist da deutlich genug.

Eine der grenzüberschreitenden Fragen, die sich Kirsten Dehlholm für die Arbeit mit den fünfzehn Sängern stellte, war: Wie funktioniert die Szene als Gemälde? Denn die Bühne ist eine moderne Form des uralten Guckkastens: Das Geschehen auf einer großen, weißen Treppe wird durch einen 6 x 6 Meter ausschneidenden Rahmen ins Graphische gebrochen, der Theaterabend im Reich der Schatten zur Variation einer Tafelbildmalerei.

In einem Reigen gegenwärtiger, hypnotischer Licht- und Toneffekte öffnet der alte Mythos von Orfeus' Abstieg in das Reich der Toten eine genrereflektierende Handlung zwischen den Dualitäten Auf- und Absteigen, Fallen und Schweben, Leben und Tod, Raum und Fläche, Tiefe und Höhe, Betrachten des Horizonts und Eintauchen in den Ozean – bis zur Auflösung in ein eigenes, dann auch das Publikum umfassendes Grenzreich aus Schatten und Licht. Hajo Schiff

Hotel Pro Forma: Operation Orfeo, 08. / 10. + 11. November, K6, Kampnagel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen