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Variationen über Hass

■ Philosophisches Café im Literaturhaus: Heute werden Klaus Theweleits „Männerphantasien“ aus dem Regal gezogen

In einer Kleinstadt in Schleswig-Holstein gibt es eine Buchhandlung, in der die Bände der Männerphantasien von Klaus Theweleit seit ihrer Ersterscheinung 1977/78 darauf warten, käuflich erworben zu werden. Der Buchhändler, so war aus sicherer Quelle zu erfahren, hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass irgendwann jemand in den Laden treten und die „richtige Frage“ stellen wird, zu deren Beantwortung er den „Theweleit“ aus dem Regal zu ziehen beabsichtigt: „Lesen Sie, dann wissen Sie's!“ Wir wissen nicht, ob das dazu veranlassen sollte, einen weiten Bogen um schleswig-holsteinische Kleinstädte zu machen oder ob es im Gegenteil nicht gerade deshalb sinnvoll sein könnte, dorthin zu fahren.

Das Literaturhaus Hamburg macht eine Entscheidung jedenfalls vorerst unnötig. Denn für die Veranstaltung des Philosophischen Cafés zum „Thema: Hass“, die durch eine Terminverschiebung ausgerechnet auf dem 9. November gelandet ist, wurde Klaus Theweleit selbst eingeladen, die Männerphantasien aus dem Regal zu ziehen. Ob die „richtigen Fragen“ aufgeworfen werden, damit im Typus der „Nicht-zu-Ende-Geborenen“ Antworten gefunden werden können, wird sich zeigen. Die Problemstellung im Ankündigungstext , die mit Nietzsche davon ausgeht, dass „Gewalt von den Grenzen ins Innere der Gesellschaft“ dränge, lässt einigen Zweifel zu.

Dort ist weiters ein ahistorischer und politisch indifferenter Begriff von Hass herauszulesen: Er habe sich als Phänomen entwickelt, weil der Gesellschaft der äußere Sinn (in Form von Kriegen) und auch der innere (lebensweltliche) fehle. Das entstandene Vakuum habe die vakante „Planstelle Feind“ für „kalten Hass“ empfänglich gemacht. Theweleit wird eingeladen, um als Virtuose einer Theoriepartitur – in der nicht Ideologie, sondern der Krieg zwischen den Ausdrucksformen verschiedener Körperzustände als Politisches komponiert ist – erhellende Töne anzuschlagen. Inwiefern dabei die Psychologisierung als Entpolitisierung vertont wird oder die aktuelle Verzerrung besungen wird, bei neofaschistischen Pogromen handele es sich um Gewalt oder Hass, das mag das Auditorium entscheiden.

In ihrer Rezeptionsgeschichte haben sich die Männerphantasien vielgestaltig unter Beweis stellen müssen, nicht zuletzt auf dem Gabentisch für renitent gestörte Heteromänner. Es ist allerdings anzunehmen, dass Theweleit am Gedenktag der Reichspogromnacht den politisch intervenierenden Taktstock nicht so leicht aus der Hand legen wird und dass sich die Relektüre einer legitimatorischen Kulturschau „aufständischer Anständiger“ verweigern wird. Anette Kretzer

heute, 19 Uhr, Literaturhaus

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