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Biermanns Welt

Der Schriftsteller und Barde wird Chef-Kulturkorrespondent beim reaktionären Springerblatt

Seine frühen Gedichte waren manchmal klasse, seine späten jedoch sind durchweg schlecht. Prosa konnte er noch nie und seine Besinnungsaufsätze strotzen von Gemeinplätzen. Dennoch hat Wolf Biermann bis heute den Ruf, ein herausragender Vertreter der deutschen Literatur zu sein. Wobei man ihn weniger als Schriftsteller schätzt denn als Bürgerrechtler, der spätestens seit seiner Ausbürgerung aus der DDR 1976 zu einer Symbolfigur des ostdeutschen Widerstandes geworden ist.

Jetzt wird Biermann zum Kulturkorrespondenten der ewig angeschlagenen reaktionären Springer-Zeitung Die Welt. Der neue Chefredakteur Wolfram Weimer verkündet, dass man es mit Biermanns Zusage geschafft habe, sich als „freiheitlich und weltoffen“ zu beweisen, und hofft damit an die große Zeit vor den Studentenprotesten anzuknüpfen, als noch Leute wie der linke Schriftsteller Erich Kuby für das Blatt schrieben.

Auch Biermann trötet mächtig marxistisch ins Horn, um rechts rauskommen zu dürfen: „So lautet die 11. Feuerbachthese von Marx: ‚Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.‘ Ich mich sowieso. Aber auch die Welt hat sich verändert – und mit ihr Die Welt! Und da bin ich gern dabei.“ Ich mich sowieso – selbst zu Werbesprüchen reicht es nicht. Doch muss der selbst ernannte „preußische Ikarus“ mit Marx wedeln, um die Funktion zu erfüllen, die die Welt ihm zugedacht hat – die prominente Stimme von außen, linksaußen.

Dass Biermann allerdings gar kein Linker mehr ist, machte er selbst oft genug klar. Nicht in Worten: Doch schon seit Jahren philosophierte er lieber bei CSU-Treffen im Kaminzimmer, als vor halb leeren Hallen aufzutreten. Die Linke, selbst die liberalen Lehrertypen bleiben längst Biermanns Konzerten fern, da sie seine Thesen, die stets auf einem „Wissen wir nicht alle ...“ beruhen, nicht mehr hören wollen. Na ja, die einst geschlossen auftretende Linke ist mit Flügelkämpfen und Personen beschäftigt und lässt sich freiwillig eh nicht mehr vereinen.

Da Biermann nicht wirklich ein guter Autor ist, sondern als Künstler ähnlich gescheitert wie Bärbel Bohley oder Lutz Rathenow, muss er sich umtun. Einzig der Bürgerrechtlerstatus ist ihm übrig geblieben. Er braucht eine Masse, die nach seinen Gemeinplätzen giert – und die findet er nun im rechtskonservativen Lager, das in Zeiten rot-grüner Regierung und Globalisierung ideologisch in Bedrängnis geraten ist. Da schafft eine „Wir wissen ...“-Gemeinschaft. Und Biermann wird seine Massen finden.

JÖRG SUNDERMEIER

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