: Autohersteller Daewoo pleite
Gläubigerbanken drehten dem koreanischen Konzern den Geldhahn zu. Gewerkschaften hatten sich gegen Sparprogramm gestellt. Mehr als 300.000 Arbeitsplätze gefährdet
TOKIO taz ■ Die Gläubigerbanken des angeschlagenen südkoreanischen Autokonzerns Daewoo Motors haben gestern ihre Geduld verloren und kappten weitere Kredite für den hoch verschuldeten Autobauer. Die Banken entschieden sich zu diesem Schritt, nachdem die Betriebsgewerkschaften von Daewoo Motor ein Sparprogramm mit massiven Stellenkürzungen abgelehnt hatten. Die kompromisslose Haltung der Gewerkschaften hatte dazu geführt, dass Daewoo Motor bereits am Dienstag mit umgerechnet rund 176 Millionen Mark in Zahlungsverzug geraten war.
Daewoo hatte mehrere Monate mit den Gewerkschaften verhandelt. Mit dem Rationalisierungsplan hoffte der Konzern, für potentielle Käufer attraktiver zu werden. Die Gläubigerbanken eröffenten erst im Oktober neue Übernahmeverhandlungen mit dem amerikanischen Autokonzern General Motors und seinem italienischen Partner Fiat, nachdem Ford sich im September abrupt zurückgezogen hatte.
Daewoo Motor, das Kronjuwel im ehemals zweitgrößten südkoreanischen Familienkonglomerats Daewoo, wurde zusammen mit elf anderen Kernunternehmen im September 1999 von einem Konsortium von Gläubigerbanken gerettet. Die Banken hofften damals, dass innerhalb eines Jahres für die einzelnen Konglomeratsteile Käufer aus dem In- und Ausland gefunden würden. Das erwies sich als Illusion, weil die einzelnen Unternehmen weit höher verschuldet waren als angenommen.
Nach einer ersten Wirtschaftlichkeitsprüfung von Daewoo Motor im Januar stellte sich heraus, dass der Autobauer mehr als 36 Milliarden Mark an Verbindlichkeiten angehäuft hatte. Dem standen Vermögenswerte von rund 24 Milliarden Mark gegenüber. Allerdings dürften die Vermögenswerte empfindlich geschrumpft sein: Die Banken schossen seit September 1999 mehr als 4,5 Milliarden Mark an neuen Krediten zu, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.
Vergangene Woche setzten die Gläubigerbanken Daewoo Motor unter Druck: Ein tief greifendes Sanierungsprogramm sollte eingeleitet werden, das die Streichung von rund 3.500 Stellen oder einem Fünftel der Belegschaft vorsah. Die 13.000 Mitglieder in Daewoos Betriebsgewerkschaft weigerten sich,die Bedingungen der Banken anzunehmen. Erst im September 1999 hatten sie eine Garantie erhalten, dass in den kommenden drei Jahren keine Stellen gestrichen würden.
Der nun notwendige Antrag des Unternehmens auf Gerichtsverwaltung werde wohl einige Tage dauern, sagte Uhm Rak Yong, der Präsident der Korea Development Bank, der Hauptgläubigerin. Mit dem Kollaps von Daewoo Motor stehen nach Ansicht von Analysten außer dem Großteil der fast 18.000 Arbeitsplätze des Autobauers auch etwa 300.000 Stellen bei 504 Zulieferern auf dem Spiel. Eine neue Entlassungswelle in der südkoreanischen Wirtschaft wird erwartet, nachdem südkoreanischen Banken bereits vergangene Woche eine schwarze Liste mit 52 bedrohten Unternehmen veröffentlicht hatten. Diese sollen entweder liquidiert, unter Zwangsverwaltung gestellt, zwangsfusioniert oder verkauft werden. ANDRÈ KUNZ
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