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Der Staat demonstriert Härte

Cornelius Yufanyi ist ein potenzielles Opfer des Rassismus – mitdemonstrieren darf er dennoch nicht

BERLIN taz ■ Damals hatte auch eine Demo genügt, um ihn ins Gefängnis zu bringen. Damals, das war in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns, und der Student Cornelius Yufanyi war auf die Straße gegangen, um für bessere Studienbedingungen zu demonstrieren, und anschließend eingesperrt worden. Eine halbe Weltreise auf der Flucht hat er seitdem zurückgelegt, statt Studentenausweis trägt der 26 Jahre alte Mann einen Antrag auf Asyl und Lebensmittelgutscheine bei sich.

Weilrode, Eichsfeldkreis. Yufanyi kann sich glücklich schätzen, sagen viele hier in Thüringen. Er ist angekommen in einem Land, in dem Menschen, die aussehen wie er, zwar riskieren, zu Tode getrampelt, geprügelt oder gehetzt zu werden, in dem aber andererseits die Regierung, allen voran, gestern zu einer Großdemonstration für Toleranz und Menschlichkeit aufrief.

Doch Cornelius Yufanyi ist nicht glücklich, sondern möglicherweise bald wieder im Gefängnis, diesmal in einem deutschen: Er hat sich strafbar gemacht, weil er Demonstrationsaufrufen wie dem gestrigen gefolgt ist. Er hielt seine Teilnahme für sein gutes Recht: „Ich bin eines der potenziellen Opfer des Rassismus in Deutschland“, sagt er, „und ich sollte nicht mitdemonstrieren dürfen?“ – Nein, ist die Auffassung der Behörden. Denn dazu muss er seine Flüchtlingsunterkunft verlassen, und dazu ist er nicht befugt. Nicht ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde jedenfalls, und die muss beantragt werden, kostet Yufanyi, der monatlich über 80 Mark Bargeld verfügt, pro Reise zwischen 15 und 20 Mark und wird restriktiv erteilt.

Nach dem Asylverfahrensgesetz haben Flüchtlinge, deren Asylgesuch noch geprüft wird, „Residenzpflicht“ und dürfen nur in Ausnahmefällen den ihnen zugewiesenen Landkreis verlassen. Eine Regelung, die nach Ansicht des UNHCR gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt und wegen der Yufanyi demnächst wieder vor dem Amtsgericht Worbis stehen wird: „Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen klagt Sie an, in Jena und anderen Orten seit dem 21.04.00 wiederholt einer Aufenthaltsbeschränkung zuwidergehandelt zu haben“, teilte ihm das Gericht mit. Kann schon sein, sagt Cornelius Yufanyi. Ist zulässig laut Grundrecht auf Freizügigkeit, sagt sein Anwalt Ulrich von Klinggräf. Und war für einen, der sich seit seiner Volljährigkeit politisch engagiert, vermutlich unvermeidbar.

Das absurde Gesetz von der Residenzpflicht führt dazu, dass Menschlichkeit und Toleranz für Cornelius Yufanyi gestern erneut an der Landkreisgrenze endeten. In Berlin demonstrierte derweil eine Regierung für ihn. HEIKE HAARHOFF

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