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Liebesnacht vor Gericht

■ HIV-positiver Mann soll seinen Freund bewusst infiziert haben

Der Griff zum Kondom war selbstverständlich. Immer, beteuert Joern M.. Bis auf dieses eine Mal im September 1996, sagt Frank F.. Seit gestern steht Joern M. dafür unter dem Vorwurf „gefährliche Körperverletzung“ vor dem Alto-naer Amtsgericht: Er soll Frank F. verschwiegen haben, dass er HIV-positiv ist und ihn bei dem ungeschützten Geschlechtsverkehr infiziert haben.

Die beiden Männer hatten sich bei der Arbeit kennen gelernt. „Wir dachten, es könnte was Festes daraus werden“, berichtet Joern M. Über drei Monate trafen sie sich, schliefen miteinander. M. wusste damals seit neun Jahren, dass er infiziert ist. Mit Frank F. habe er da-rüber aber nicht gesprochen, „das war nie Thema“, so der Angeklagte gestern. Er gehe aber „nie ohne Kondom ins Bett“, da er selbst bewusst infiziert worden sei: „Ich weiß, wie beschissen das ist. Das tu ich keinem anderen an.“ Er habe fünf Jahre gebraucht, „um das zu verarbeiten“.

Joern M. engagierte sich 1996 ehrenamtlich in der Beratung für HIV-Positive, half beim Frühstück, beantwortete Fragen bei der Telefon-Hotline. Ob er da auch Ratschläge erteilt habe, wie man sich beim Sex schützen könne, will der Richter wissen. M. bejaht.

Frank F. wollte seinem Ex-Lover gestern nicht vor Gericht persönlich begegnen. Er leidet seit der Infizierung, die im Oktober 1996 festgestellt wurde, unter Depressionen. Joern M. erklärte sich einverstanden, im Nebenraum zu warten, auch wurde die Öffentlichkeit während der Aussage von F. ausgeschlossen. Laut seiner früheren Aussage hatte Joern M. ihm während der Beziehung lediglich erzählt, er leide an Knochenkrebs. Daran hingegen konnte M. sich gestern vor Gericht nicht erinnern. Er habe auch nie an Knochenkrebs gelitten.

Das das Gericht noch den Rat eines medizinischen Sachverständigen einholen will, wurde die Fortsetzung des Prozesses auf den 20. November vertagt.

Heike Dierbach

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