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Ein Winter in Sardinenbüchsen

Weil die S-Bahn zu wenig neue Züge hat, wird die S11 halbiert  ■ Von Gernot Knödler

Das macht die Kundschaft misstrauisch. Kaum ist die 1. Klasse mit Beginn des HVV-Winterfahrplans am 5. November abgeschafft, halbiert die S-Bahn ihre Züge. Wie die S-Bahn bestätigt, fahren auf der Linie S11 von Wedel über Altona, Dammtor und Hauptbahnhof nach Poppenbüttel seit kurzem nur noch Kurzzüge mit drei Wagen. Zu den Stoßzeiten drängen sich die Passagiere wie in der sprichwörtlichen Sardinenbüchse, Sitzplätze sind in den Waggons Mangelware. „Das ist ohne Frage nicht angenehm für die Kunden“, sagt Detlef Rother von der S-Bahn. „Wir können uns nur dafür entschuldigen.“

Rother erklärt die Einschränkung des Angebots mit einem Mangel an Wagen: Im Juni habe die Hamburger S-Bahn vorzeitig 17 alte Züge à drei Wagen ausmustern müssen. Sie noch einmal durch den TÜV zu bringen, hätte sich aus Sicht des Unternehmens nicht gelohnt. Dazu kamen Probleme mit der neuen Baureihe 474, deren Räder schneller verschleißen als erwartet. Das bedeutet, dass die Wagen häufiger runter müssen von der Schiene, damit die Räder anschließend wieder in Form gebracht werden können. „Wir sind bei den neuen Fahrzeugen vielleicht zu optimistisch herangegangen“, räumt Rother ein.

Zwar sollen die ausgemusterten Wagen durch neue ersetzt werden, doch 14 von insgesamt 103 neuen Zügen müssen Rother zufolge erst noch geliefert werden. Und von der Baureihe 272, die zwei Drittel des Wagenparks stellt, sind zur Zeit immer zwei Züge in der Werkstatt: Sie werden modernisiert, denn sie sollen innen und außen einmal so aussehen wie die modernen 474er. Die Folge: Der Notstand wird den ganzen Winter über andauern. „Es wird bis Mai ein reduziertes Fahrplan-Angebot auf der S11 geben“, räumt Rother ein.

Die Linie S11 hat es nach Angaben des Sprechers getroffen, weil Fahrgast-Zählungen ergeben hätten, dass dort Kurzzüge in der Regel ausreichend seien. „Dass es Engpässe in den Spitzen gibt, ist klar“, bedauert Rother. Bereits seit Juni seien auf der Linie S2 viele Kurzzüge eingesetzt worden. Damit sei es jetzt wieder vorbei. Und auf der S3 Richtung Harburg und Neugraben setze die S-Bahn in der morgendlichen Hauptverkehrszeit sogar Langzüge mit neun Wagen ein.

Beim HVV ist man „nicht glücklich“ mit den Einschränkungen. „Für die Fahrgäste sieht das natürlich blöd aus“, sagt Sprecherin Christiane Jochims. Viele KundInnen brächten die Verschlechterung des Angebots jedoch zu Unrecht mit dem Fahrplanwechsel und der Abschaffung der 1. Klasse in Verbindung. Wie Rother setzt sie darauf, dass das Angebot schon vor Mai allmählich besser wird. Denn, so der S-Bahn-Sprecher hoffnungsvoll: „Die neuen Züge laufen sukzessive zu.“

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