bse breitet sich aus: Panische Gelassenheit
Langsam zieht sich die Rinderwahnschlinge enger. In Großbritannien sterben immer mehr Menschen an Gehirnschwamm – ähnlich wie tausende BSE-Rinder der Insel vor ihnen. Und das, obwohl die britische Regierung und die Europäische Union Milliarden Mark für eine beispiellose Massenschlachtung von Kühen und Bullen ausgegeben haben. Und nun gibt es auch noch eine steigende Zahl von BSE-Fällen bei Rindern in Frankreich – also auf dem Kontinent und im größten Rindfleischland Europas.
Kommentarvon REINER METZGER
Die Behörden Frankreichs und der EU stehen nun vor schwierigen Entscheidungen: Sollen sie alle eventuell verdächtigen Rinder abschlachten, um das Ansteckungsrisiko möglichst gering zu halten? Das ist wohl doch übertrieben – es wären laut einer Forderung der französischen Bauernverbände fünf Millionen Tiere für geschätzte Kosten von 5,8 Milliarden Mark. Und was passiert dann mit den Kadavern – soll man sie, wie bisher üblich, zu Tiermehl verarbeiten und an Schweine oder Hühner verfüttern? Das wird den Konsumenten auch nicht gerade das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.
Angesichts der ungewissen Datenlage über die Verbreitung der Seuche überkommt einen ja erstmals Mitleid mit den Zuständigen in Agrarlobby und Regierung. Hier steht Haushaltsplan gegen Imagerettung des Rindfleisches, Tierschutz gegen Gesundheitsvorsorge beim Menschen. Wer soll da vernünftig entscheiden?
Die deutschen Länderminister versuchen deshalb verzweifelt, sich vor BSE zu retten. Ihr Strohhalm, an den sie sich klammern: Das Verfüttern von Tiermehl an Wiederkäuer ist hier zu Lande schon lange verboten. Und außerdem wurde Tiermehl in Deutschland besser abgekocht als im Rest der EU. Deutsches Rindfleisch ist also sauber, so die Parole. Und das soll so bleiben. Deshalb forderten gestern Länderminister im Bundesrat ein Importverbot für französisches Beef. Bundesministerin Andrea Fischer droht mit einem Importverbot für alle Länder, die ihr Rindfleisch nicht vorschriftsmäßig kennzeichnen.
Deutsche Minister ebenso wie Landwirte können nur hoffen, dass sie Glück haben und ihnen das Schicksal ihrer französischen Kollegen erspart bleibt. Und sie können auf die Trägheit der Verbraucher bauen. Die haben noch alle Agrarskandale mit mehr oder weniger Schluckauf hinuntergewürgt. Leider. Denn so wird sich nichts ändern am internationalen Fleischgeschäft.
nachrichten SEITE 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen