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Vergilbte Bärchen für die uncoole BVG

Das Stadtforum empfiehlt eine Imagekampagne für den öffentlichen Nahverkehr. In London geht man anders vor: Blechkistenfahrer sollen blechen

Den Vogel schoss Michael Schirner ab. Die BVG brauche nur seine Olympia-Bärchen und mit dem öffentlichen Nahverkehr der Hauptstadt könne es wieder aufwärts gehen. Immerhin sorgte der Chef der Düsseldorfer Werbeagentur Schirner, die die Berliner Olympia-Bewerbung erfolgreich in den Sand gesetzt hatte, mit seinem Vorschlag für etwas Heiterkeit unter den rund 100 Zuhörern des 80. Berliner Stadtforums, das am Freitagabend im Alten Stadthaus stattfand.

Das Stadtforum, eine Art außerparlamentarisches Beratungsgremium der Stadtenwicklungsverwaltung, befasste sich diesmal mit nichts Geringerem als der „Mobilität der Zukunft“. Die geladen Verkehrsexperten diskutierten über die „Zivilisierung des Autoverkehrs“ und die Dauerkrise des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in der Stadt.

Obwohl seit 1990 Milliarden in dessen Ausbau geflossen sind, sinken die Fahrgastzahlen. Dies könne nicht nur mit dem – mitunter unzureichenden – Angebot zu tun haben, waren sich die Experten einig. Vielmehr liege es am schlechten Image des ÖPNV und an der kulturellen Attraktivität des Autos.

Die Statistik belegt dies: Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren nutzen die BVG. Doch nach Erwerb der Fahrerlaubnis fällt die Quote rapide auf 15 Prozent. „Wir brauchen eine kulturelle Revolution“, forderte der Trierer Verkehrsforscher Heiner Monheim.

Tony Travis, Verkehrsberater des linkssozialistischen Londoner Bürgermeisters Ken Livingston, weiß, wie das geht: „Wir müssen die Leute zwingen, den öffentlichen Verkehr zu nutzen.“ Travers plant daher die Einführung einer so genannten Nahverkehrsabgabe für die gesamte Innenstadt. Wer zwischen 7 und 19 Uhr mit dem Auto durch die Londoner City fahren will, muss dafür künftig rund 17 Mark zahlen. Hinzu kommen Parkgebühren von 8 Mark pro Stunde. Wenig zimperlich zeigte sich der Verkehrsberater des extrotzkistischen Bürgermeisters bei der Umsetzung: Flächendeckend installierte Kameras registrieren die Nummernschilder sämtlicher Autos, um die Bezahlung zu überprüfen. Im Gegenzug werden rund 12 Milliarden Mark in den Bau einer neuen U-Bahn-Linie investiert.

London sei allerdings kein gutes Modell, betonte Monheim. „Mit der Peitsche allein erreicht man nichts.“ Vielmehr müssten die Fortbewegunsgsarten ohne Auto kulturell aufgewertet werden. Die Autoindustrie stecke jährlich Milliarden in die Werbung für ihre „Immobilitätskisten“, dem ÖPNV hingegen hafte ein Stigma an.

Mit einer Imagewerbung könne man viel erreichen, meinte Werbeexperte Schirner. Allerdings müsse das Produkt stimmen. Eine Sympathiekampagne für den ÖPNV müsse das Publikum emotionalisieren. „Ich schlage eine herrliche Bärchenkampagne für Berlin vor.“ Die gelben Olympia-Bärchen, bei den Berliner angeblich beliebt, könnten auf fast jedem Gegenstand zu sehen sein: auf Autos, Bussen, Krawatten, Mützen. „Und es würde Bärchenkondome für den privaten Nahverkehr geben.“ RICHARD ROTHER

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