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Soll Bremer Hilfe zerschlagen werden?

■ MitarbeiterInnen fürchten Ausgliederung lukrativer Bereiche zur Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven / Chefs dementieren / Betriebsversammlung steht aber noch bevor

Die Stimmung unter den rund 130 MitarbeiterInnen des Vereins „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“ ist schlecht. Die Befürchtung: Die Therapieeinrichtungen – nämlich die Bereiche, die als einzige schwarze Zahlen schreiben – sollen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bremerhaven zugeschlagen, der Rest der zum Verein gehörenden Dutzend Einrichtungen könne ruhig zugrunde gehen.

Das scheint bisher nur ein Gerücht zu sein. Aber eines, das die Beschäftigten derart beunruhigt, dass der Betriebsrat nun zu einer Personalversammlung eingeladen hat. Und sich nach außen nicht äußern möchte – wie auch sonst kaum jemand zitiert werden möchte.

Im Zentrum der Gerüchteküche steht ein Mann: Volker Tegeler, Vorsitzender des Vereins Bremer Hilfe und zugleich Geschäftsführer der AWO Bremerhaven, also genau des Trägers, dem die lukrativen Einrichtungen zugeschlagen werden sollen. Zufall? Oder Strategie?

„Schwachsinn“, entgegnet Tegeler. Klar sei, dass künftig „nur noch Projekte, die sich selber tragen“ betrieben würden. Defizitäre Bereiche wie das betreute Wohnen oder das Aussteigerprojekt für substituierte Frauen müssten dringend kostendeckend werden. Zum Verdacht, er wolle die Rosinen retten und den Rest abwracken, sagt Tegeler: „Warum sollten wir das, wofür wir 15 Jahre lang gearbeitet haben, an die Wand fahren?“

Doch es gibt Indizien. Die MitarbeiterInnen des Therapiehofs Loxstedt-Düring – neben der Reha-Klinik Oyten der zweite Kandidat für die Ausgliederung – sollen von ihrem Chef erfahren haben, dass sie sich schon mal darauf gefasst machen sollten, zur AWO zu wechseln.

„Das stimmt so nicht“, erklärt Uwe Klein, Leiter des Therapiehofs Loxstedt-Düring, gegenüber der taz. Auf welche Weise es denn stimme, das will er nicht erklären.

Weiteres Indiz: die Einladung zur Betriebsversammlung am 30. November. Hier heißt es: „Der Geschäftsführer Herr Schiak teilte in der Leitungskonferenz am 3.11.2000 mit, dass es konkrete Pläne gebe, noch in diesem Jahr Gespräche mit der AWO Bremerhaven anzuberaumen. Dabei solle es um die Auslagerung der Therapieeinrichtungen zur AWO gehen.“

Hans-Jürgen Schiak dementiert: „Es gibt diese Diskussion nicht, und es gibt eine solche Beschlusslage nicht.“ Er leugnet nicht, dass die Bremer Hilfe in einer Krise steckt und dass „Strukturveränderungen“ anstehen. „Kürzungen im Sachmittelbereich“ und „Personalanpassungen“, also keine Verlängerung von Zeitverträgen – das seien mögliche Konsequenzen aus der Misere. Wie hoch das Defizit tatsächlich ist, will Schiak nicht sagen, nur soviel: „Nicht so hoch, dass der Verein gefährdet wäre.“

„Es würde mich nicht wundern“, sagt zu den Ausgliederungsgerüchten einer, der sich auskennt: Guus van der Uppwich war vor Jahren Geschäftsführer der Bremer Hilfe. Schon zu seiner Zeit habe der Verein „eigentlich von den Einnahmen im Pflegesatzbereich gelebt.“ Alles andere sei davon mit finanziert worden.

Auch der Hauptgeldgeber des Vereins, die Landesversicherungsanstalt Oldenburg/Bremen, mag keine Auskunft geben, aber ausdrücklich dementieren will man den Plan der Verschiebung gen Bremerhaven dort auch nicht.

Bei der Bremer Hilfe zur Selbsthilfe gab es in der Vergangenheit Unregelmäßigkeiten. Wegen Mehrfachabrechnung derselben Projekte hatten die Verantwortlichen 240.000 Mark an das Sozialressort zurückzahlen müssen. Jetzt wird bereits in der nächsten Angelegenheit ermittelt: Im Frühjahr wurden die Räume der Bremer Hilfe durchsucht und Personalakten beschlagnahmt. Angeblich habe der Verein Kosten für Mitarbeiter bis zu drei Mal abgerechnet. Auch in anderen Bereichen soll es Unkorrektheiten geben. Das Verfahren ist noch im Gang.

Susanne Gieffers

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