: Ein Schauprozess gegen Gesinnungstäter war es nicht
Das Urteil über die Täter von Guben hinterlässt ein ungutes Gefühl. Denn anders als im Verfahren gegen die Mörder von Dessau fehlt ihm das politische Signal
BERLIN taz ■ Es liegt nahe, den Prozess gegen die Mörder von Dessau und den Gubener Hetzjagdprozess zu vergleichen. In beiden Fällen haben Rechtsradikale den Tod eines „Ausländers“ herbeigeführt. Beide Fälle wurden in der Öffentlichkeit als Prüfstein für den Umgang der Justiz mit rechter Gewalt gewertet.
Auf den ersten Blick wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit vom Oberlandesgericht (OLG) Naumburg deutlich besser erfüllt. Es verurteilte Ende August die Täter von Dessau zu harten Strafen: einen 24-Jährigen zu „lebenslänglich“, die beiden 16-Jährigen zu neun Jahren Haft. Die für Jugendliche zulässige Höchststrafe hätte nur ein Jahr mehr betragen. Dagegen wurden die Haftstrafen in Cottbus überwiegend zur Bewährung ausgesetzt. Die Mörder des Dessauers Alberto Adriano wurden schon elf Wochen nach der Tat verurteilt, während der Prozess in Cottbus erst nach zwanzig Monaten abgeschlossen wurde. Auch die Urteilsverkündung des OLG Naumburg zeigte, dass die Richter ein Signal setzen wollten. Der Vorsitzende des Senats, Hennig, stellte ausdrücklich auf die Menschenwürde ab und ließ seine Erklärung in gedruckter Form verbreiten. In Cottbus dagegen endete das Verfahren mit einer gewöhnlichen Urteilsbegründung, aber nicht mit einer Rede an die Nation.
Was ist besser? Einerseits ist zu begrüßen, dass die Justiz sich der politischen Tragweite rechter Gewalt bewusst wird. Andererseits darf nicht der Eindruck entstehen, hier würden Schauprozesse durchgeführt. Es war daher wenig glücklich, dass Bundestagspräsident Thierse (SPD) im Frühjahr öffentlich die „skandalöse“ Dauer des Cottbuser Verfahrens kritisierte. Das wirkte wie eine Forderung nach „kurzem Prozess“. Es hat den Angeklagten am Ende jedenfalls nichts genutzt, dass die Verteidigung mit ihren 25 Befangenheitsanträgen das Verfahren verschleppte. Vielmehr kritisierten die Richter gestern ausdrücklich die Anwälte, die teilweise selbst aus der rechten Szene stammen. Doch ein Verfahren mit 11 nicht geständigen Angeklagten, 57 Zeugen und einem ebenso tragischen wie ungewöhnlichen Geschehensablauf erfordert eine gründliche Beweisführung. Lieber zu viele Verhandlungstage als zu wenige, lautet hier die Maxime. Wäre ein vorschnelles Urteil vom Bundesgerichtshof wegen Verfahrensfehlern aufgehoben worden, hätte dies sicher in der Öffentlichkeit für mehr Unverständnis gesorgt.
Der größte Erfolg des Cottbuser Gerichts war vielleicht, dass es während des Prozesses doch noch Geständige gab. Dass sich allerdings nur einer der elf Täter zu bedauernden Worten an die Verwandten des Getöteten und die übrigen Opfer der Hetzjagd durchringen konnte, ist erschreckend. Vor diesem Hintergrund wirken auch die verhängten Bewährungsstrafen niedrig.
Urteile wie dieses halten die Diskussion am Leben, ob bei körperlichen Angriffen aus rassistischem Hass nicht generell eine Bewährungsstrafe ausscheiden sollte. Schließlich ist kaum einzusehen, dass das Zeigen des Hitlergrußes teilweise härter bestraft wird als körperliche Angriffe mit Todesfolge. Hier stimmen offensichtlich die Verhältnisse nicht mehr – auch wenn angenommen werden muss, dass die Angeklagten nicht „billigend in Kauf“ nahmen, dass das Opfer sich auf der Flucht vor dem Mob tödlich verletzen würde. Dann hätte nämlich eine Verurteilung wegen Mordes angestanden. CHRISTIAN RATH
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