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Wahlrechtsstaat

Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen wird von Bezirksrichtern in Florida entschieden – in verwirrend vielen verschiedenen Verfahren

BERLIN taz ■ Selbst die Zählung der anhängigen Gerichtsverfahren im US-Bundesstaat Florida wird zum Problem. Gestern Vormittag sollte in Talahassee ein Bezirksrichter über den Antrag der Demokraten auf eine einstweilige Anordnung entscheiden. Damit wollten die Demokraten die Frist, in der die Stimmen der Landkreise ausgezählt und gewertet sein müssen, verlängern. Am Montag hatte Floridas Innenministerin Katherine Harris angeordnet, die Frist werde nicht verlängert, sie bleibe bei Dienstag, 17 Uhr Ortszeit. Damit wäre das Anliegen der Demokraten, die über 425.000 Stimmen im Landkreis Palm Beach per Hand auszuzählen, unmöglich – die manuelle Zählung könnte erst am kommenden Sonntag beendet sein.

Bleibt die Frist bestehen und ist eine Zählung per Hand nicht möglich, dann bleibt es für den Wahlausgang Floridas bei den bislang ermittelten Zahlen. Denen zufolge siegt der Republikaner Bush mit 388 Stimmen Mehrheit und wird damit neuer Präsident der USA. Kann hingegen in Palm Beach per Hand gezählt werden, ist damit zu rechnen, dass etliche der rund 10.000 Stimmzettel, die nicht maschinell gewertet werden konnten und daher für ungültig erkärt worden waren, noch mitgezählt werden. Sollten die Stimmverhältnisse bei diesen Zetteln den bisherigen Ergebnissen im demokratisch dominierten Palm Beach entsprechen, dürfte das dem Demokraten Gore zur Mehrheit verhelfen.

Kein Wunder also, dass beide Seiten sich nichts schenken. Am Montag hatten die Republikaner vor einem Bundesgericht in Miami einen Antrag auf einstweilige Anordnung verloren, mit dem sie die Handauszählungen sofort stoppen wollten. Noch während die Republikaner überlegen, in dieser Sache in die zweite Instanz zu gehen, hat die republikanische Innenministerin ihrerseits bestimmt, die Handauszählung sei illegal und daher sofort zu stoppen, sofern nicht nachweislich die Zählmaschinen kaputt seien. Gegen diese Anordnung sind mehrere demokratisch dominierte Landkreise vor die Gerichte gezogen. Palm Beach hat seine manuelle Auszählung bis zur Entscheidung über die Frist ausgesetzt. Andere Wahlkreise wie etwa Fort Lauderdale wollten die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zählung abwarten – während die Demokraten energisch zum Weiterzählen aufforderten. Der Bezirk Volusia, der gemeinsam mit Palm Beach die Klage gegen die Frist eingereicht hatte, ist inzwischen mit dem manuellen Nachzählen fertig und wollte bis gestern Mittag – also innerhalb jeder Frist – seine Ergebnisse veröffentlichen.

Ebenfalls gestern wollten Bezirksgerichte in Palm Beach über die Klagen mehrerer Wähler entscheiden, die erreichen wollten, dass der Stimmzettel in diesem Landkreis als irreführend und daher illegal erklärt wird. Sie wollen erreichen, dass im ganzen Landkreis erneut gewählt wird.

So erschien gestern vor Bekanntwerden der vielen Entscheidungen nichts mehr sicher – außer dass der Ausgang der Präsidentschaftswahlen von Bezirksrichtern in Florida abhängt.

BERND PICKERT

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