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Mikro-Bewegungen

Junge MedienproduzentInnen aus Mitte wollen Querdenker vernetzen. Sie surfen auf dem schmalen Grat zwischen linker Politik und Kommerz

von JÖRG STREICHERT

Der DJ spielt elektronische Musik. Über die zahlreichen Monitoren flimmern Videos in Endlosschleifen. Doch die Gäste des WMF in Mitte kommen heute nicht zum Tanzen. Denn wie jeden ersten Mittwoch im Monat steht die Mikro-Lounge auf dem Programm. Diese Podiumsdiskussionen kreisen um die viel gehypten neuen Medien. Doch die Themenschwerpunkte liegen abseits vom Mainstream: Interactive Cybernetic Music, Pirate Radio, Web TV oder Cyberlaw.

Durch ein paar Türen und dunkle Gänge gelangt man von der Lounge ins Lab. Die Homebase von Mikro, dem Verein zur Pflege von Medienkulturen, ist neonröhrenhell. Per Internet wird die Musik von nebenan übertragen. Weit verstreut stehen einzelne Schreibtische, es gibt Sitzgruppen, hippe Zeitschriften, Kabelsalat, und überall sieht man MACs oder Dosen.

Mit Lounge und Lab will der Verein als offene und unabhängige Plattform Menschen zusammenbringen, die sich kritisch mit kulturellen, sozialen und politischen Implikationen der neuen Medienwelt auseinandersetzen. „Mikro organisiert Projekte, Diskussionen, Ausstellungen, Internet-Newsletters und was sonst noch so denkbar ist im weiten Feld der Netzgemeinschaft“, erklärt eines der Mitglieder.

Hervorgegangen ist Mikro 1997 aus dem Hybrid WorkSpace der documenta X, damals initiiert von documenta-Leiterin Catherine David und Klaus Biesenbach von den Berliner Kunstwerken. Im Berliner Lab will man verbindliche Zusammenhänge von Menschen und Orten schaffen, um sie für neue, immer auch politisch motivierte Ideen und Aktionen nutzen zu können. Solche „globalen Diskurse sollen in einem Berliner Kontext lokalisiert werden“, heißt es in einer Mikro-Erklärung.

Doch die 15 bis 20 OrganisatorInnen von Mikro, die aus dem Bereich der Computerszene, Kunst- und Kulturproduktion kommen, haben ein Problem: Trotz ihres kreativen Potenzials und theoretischen Backgrounds leben viele in einer ständigen finanziellen Krise.

Bisher wollen sie ihr Know-how nicht kommerziellen Projekten zur Verfügung stellen. Jedenfalls nicht, wenn diese den eigenen Ansprüchen zuwiderlaufen. Und diese sind hoch. So finden sich zwar auf der Website www.mikro.org die üblichen Werbebanner, doch darauf steht: „Kein Mensch ist illegal“, „Widerstand jetzt“ oder „Bash Microsoft“. Der Verein will nicht groß werden im Feld des Kapitalismus. Er heißt Mikro, nicht Makro. Klein, aber fein soll er sein. „Man verschreibt sich den kleinen, verzweigten, dabei nicht minder einflussreichen Kapillarstrukturen, durch die Medien und neue Technologien ihren Einfluss in Kunst und Gesellschaft ausüben“, wird das Anliegen etwas komplizierter auf der Homepage umschrieben. Vielfalt, gegenseitiges Vertrauen und eine „Ökonomie des Geschenks“ sollen die Arbeit der heterogenen Gruppe prägen.

Trotzdem existieren im Lab bereits Projekte, die zumindest leise in Richtung Kommerz schielen. Unter www.klubradio.de wird regelmäßig die Musik aus Berliner Klubs ins Netz gestellt.

Das wäre ein interessantes Umfeld für Werbebanner. Zudem gebe es leise Überlegungen, aus Mikro ein Schulungszentrum oder eine Multimedia-Broadcastzentrale zu machen, so ein Vereinsmitglied. Und eine solche Orientierung scheint auch nötig, denn schließlich muss ja auch an so profane Dinge wie die Miete gedacht werden.

Die interne Debatte um Finanzierungsmöglichkeiten auch mittels Auftragsarbeiten hat aber gerade erst begonnen. Es ist nicht klar, wie weit man gehen will, um an Geld heranzukommen. Momentan betreibt man im Mikro-Lab in dieser Hinsicht eine Art Vogel-Strauß-Politik. Ökonomische Probleme werden ignoriert. Statt dessen arbeitet man weiter am politischen Anspruch.

Am vergangenen Wochenende war etwa Robert McChesney zu Gast im Lab. Der Medienprofessor aus Illinois berichtete von der antidemokratischen Struktur des Mediensystems in den USA. Eine Handvoll transnationaler Medienkonzerne benützte ihre immense wirtschaftliche und politische Macht, um die Bevölkerung mit kommerzieller Werbung zu bombardieren. Informative oder gar kritische Berichterstattung kämen praktisch nicht mehr vor.

So sei etwa Ralph Nader, der grüne Kandidat für die US-Präsidentschaft, in der eventorientierten US-Medienlandschaft kaum präsent. „Die Berichterstattung über Andrej Sacharow in der Prawda der 80er Jahre war weit umfangreicher als die in den USA über Nader im US-Wahlkampf“, so McChesney. Das Internet biete zwar im Moment Strukturen, die dieser Informationspolitik entgegenwirken könnten, glaubt McChesney, doch fürchtet er, dass die Konzerne das Netz aufkaufen könnten.

Um genau diese Ambivalenz der Möglichkeiten des Netzes geht es natürlich bei Mikro immer wieder. Bei der Diskussion um die verhandelten Themen. Aber auch bei der Debatte um die eigene Selbstorganisation. Vorerst macht man weiter im Programm: Sinnstiftung ist angesagt und nicht Abkassieren.

Die nächste Mikro-Lounge findet am Mittwoch, 6. Dezember, um 20 Uhr im WMF statt. Thema: „Digitale Diaspora“

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