: Info statt Unterschrift
Brauchen Journalisten künftig „eidesstattliche Erklärungen“ von ihren Informanten? Heute entscheidet das Frankfurter Oberlandesgericht
von ARNO FRANK
Nach dem Willen einiger Frankfurter Richter sollen Journalisten auf investigativer Pirsch künftig sauberer arbeiten. So sauber und sorgfältig, dass sie von ihren Informanten nicht nur Informationen, sondern eidesstattliche Erklärungen verlangen müssten, wollen sie nicht mit Betroffenen ins Gehege kommen.
Im betreffenden Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 29. Juni 2000 (Aktenzeichen: 2/03 0 181/00) nämlich heißt es: „Alle anderen Glaubhaftmachungsmittel, die der Beklagte für die Richtigkeit seiner Äußerungen vorlegt, datieren zeitlich nach der Ausstrahlung der Sendung und sind daher nicht geeignet, die Einhaltung der publizistischen Sorgfaltspflicht zu belegen.“ Was in der Praxis bedeutet, dass Journalisten sich schon vor der Veröffentlichung eines Artikels oder der Ausstrahlung eines TV-Beitrages mit eidesstattlichen Versicherungen ihrer Informanten munitionieren müssten, dass diese auch wirklich Rede und Antwort gestanden haben.
Tatsächlich liefe es darauf hinaus, dass journalistische Arbeit mit kritischen Inhalten nachgerade unmöglich wird. Informanten nämlich wollen gegebenenfalls aus gutem Grunde nicht genannt werden und genießen eben deshalb Informantenschutz – wer ließe sich noch zu Aussagen bewegen, wenn damit gerechnet werden muss, dass er die Wahrheit seiner Behauptungen möglicherweise in aller Öffentlichkeit vor Gericht ausfechten muss?
Das umstrittene Urteil erging im Rechtsstreit zwischen dem Südwestrundfunk (SWR) und dem Bund der freien Waldorfschulen: Hierbei geht es um Aussagen von SWR-Informanten, die der Bund freier Waldorfschulen per einstweiliger Verfügung im Eilverfahren stoppen möchte. Diesem Begehren gab das Landgericht im Juni statt. Das „Eilverfahren“, immerhin seit März dieses Jahres anhängig, geht heute vor dem Frankfurter Oberlandesgericht in die Berufung.
Nun war es aber nicht irgendein Gericht, das mit praxisfernen Aufforderungen an die Sorgfaltspflicht überraschte, sondern eine auf solche Fälle spezialisierte Pressekammer. Die vom Frankfurter Landgericht höchst eigenwillig definierte journalistische Sorgfaltspflicht ist – so SWR-Justiziar Uwe J. Hochrathner – bislang noch von keinem anderen deutschen Gericht so interpretiert worden. Hochrathner: „Es stimmt nachdenklich, dass ausgerechnet eine Pressekammer einen derart fragwürdigen Zugang zum Journalismus hat.“
In der Tat macht das Urteil in seiner bestehenden Form investigatives Arbeiten unmöglich, wenn Medien als Beklagte „die Beweislast für die Richtigkeit der verbotenen Äußerung“ tragen, wie es im ersten Urteil der Pressekammer heißt. Haben Journalisten sich also nicht rechtzeitig mit eidesstattlichen Erklärungen abgesichert, so bleibt ihnen „unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten, vom Kläger bestrittene Behauptungen „aufzustellen, aufstellen zu lassen, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen“.
Höchst fragwürdig bleibt, welches Verständnis von journalistischer Sorgfaltspflicht dieser juristischen Spruchpraxis zugrunde liegt – und warum ausgerechnet Medienspezialisten ein Urteil fällen, das die Arbeit der Medien im skizzierten Maße beeinträchtigt.
Wird das Urteil also nicht kassiert, stehen völlig neue Arbeitsmethoden an. „Anstelle des Scheckbuchs“, meint ein investigativ recherchierender Reporter, müsse dann ja wohl ein Quittungsblock mitgeführt werden, auf dem Informanten ihre Aussagen hochoffiziell abzeichnen.
Vielleicht gilt bei der Pressekammer ja auch die Polizei als großes Vorbild. Die ist nämlich schon heute verpflichtet, Festgenommene zu unterweisen: „Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden ...“
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