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Aufruhr im Land der leeren Kassen

Seit Jahren warten die Staatsangestellten der Zentralafrikanischen Republik vergeblich auf ihr Gehalt. Jetzt legen sie das Land mit Streiks lahm. Aber wer hat die fehlenden Millionen: Der IWF oder der Präsident in seiner Privatschatulle?

BERLIN taz ■ Eigentlich haben die 17.000 Staatsangestellten der Zentralafrikanischen Republik große Geduld an den Tag gelegt. 29 Monate kumulierten Gehaltsausfall nahmen sie in Kauf, bevor sie im Oktober mit Protesten begannen und Anfang November in einen bis heute andauernden Streik traten, der das Land weitgehend lahm legt. Vorher hatten sie im gesamten Jahr 1999 nur ein Monatsgehalt bekommen, in diesem Jahr gar keines. Jetzt verlangen sie die Sofortzahlung eines Jahresgehaltes und wollen ab nächste Woche zu einem kompletten Generalstreik aufrufen – die „Operation Totes Land“.

„Unfähigkeit, Lügen, Sadismus und schuldhaftes Schweigen der Regierung“ nennen die sechs Gewerkschaften des Landes im Herzen Afrikas als Grund für ihre Streikaktion. Die Regierung von Präsident Ange-Felix Patassé habe ihr Versprechen nicht gehalten, bis Mitte Oktober drei ausstehende Gehälter zu zahlen. Damit, so die Gewerkschaften, wolle sie „die soziale Krise auf die Spitze treiben“, um dann mit repressiven Maßnahmen jegliche Opposition mundtot zu machen. Am Dienstag kam es in der Hauptstadt Bangui zu ersten Straßenschlachten zwischen der Polizei und Jugendlichen, die die Bevölkerung aufriefen, „gegen den vom Regime aufgezwungenen kollektiven Selbstmord mobil zu machen“.

Die Zentralafrikanische Republik ist eines der ärmsten Länder der Welt. 3,5 Millionen Einwohner verlieren sich auf einem Staatsgebiet von fast der doppelten Größe Deutschlands, das offizielle Bruttosozialprodukt übersteigt kaum eine Milliarde Dollar. Der 1993 gewählte Präsident Patassé hält sich nach Überzeugung seiner Gegner nur dadurch an der Macht, dass er und seine Freunde sich an dem Tropenholz und den Diamanten des Landes bereichern. Um Schulden und Gehälter zu zahlen, verlässt sich die Regierung auf internationale Geldgeber.

Die aber sind unzufrieden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält eine bereits vereinbarte Auszahlung von umgerechnet etwa 16 Millionen Mark zurück, unter anderem wegen „hartnäckiger Zollflucht und Steuerbetrug in großem Ausmaß“. Präsident Patassé reagierte wütend: Für die Wirtschaftskrise seien IWF und Weltbank „direkt verantwortlich“, meinte er.

Dann aber bot der Präsident an, für die darbenden Staatsbeamten zehn Millionen Dollar aus seiner Privatkasse springen zu lassen – für das Land ein enormes Vermögen, das vier Monatsgehälter für alle decken würde. Nun fragen sich Oppositionelle und Gewerkschafter erst recht, wo die Staats- und Exporteinnahmen der Zentralafrikanischen Republik immer hinfließen. Möglicherweise sind sie in Deutschland – dorthin schickte Patassé Ende Oktober seinen Finanzminister Theodore Dabanga, um die zehn Millionen Dollar abzuholen. Der Minister ist nicht wieder aufgetaucht.

DOMINIC JOHNSON

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