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Spendensammlung für zweiten Prozess

Polnischer Sozialrat will den Fall des nach einer Schlägerei schwer verletzten Punks erneut vor Gericht bringen

Der Polnische Sozialrat bittet um Spenden für den polnischen Punk, der im Juli vergangenen Jahres nach einer Rangelei mit einem Bauarbeiter von einer S-Bahn überrollt worden war. Eine Woche nach dem Freispruch für den Bauarbeiter vom Vorwurf der schweren Körperverletzung durch das Amtsgericht Tiergarten teilte die Hilfsorganisation zugleich mit, dass der Nebenkläger des nach Polen abgeschobenen Punks Berufung gegen das Urteil eingelegt hat. Der Punk hatte bei dem Vorfall einen Arm und ein Bein verloren.

Der Bauarbeiter war in den Verdacht geraten, aus rassistischen Motiven gehandelt zu haben. Ein Hakenkreuz-Tattoo am Arm hat er mittlerweile übertätowieren lassen. Sein Anwalt, der ehemalige Führer der rechtsextremistischen Wikingjugend Wolfram Nahrath, verteidigte zuletzt einen der Angeklagten beim Prozess um die tödlichen Hetzjagd auf einen Algerier in Guben. Das Gericht hatte dem Bauarbeiter das Zur-Schau-Stellen von verfassungsfeindlichen Emblemen nicht nachweisen können. Auch beim Vorwurf der schweren Körperverletzung urteilte die Richterin am 9.November nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Der hatte bestritten, rechtsextremistischem Gedankengut anzuhängen.

Besondere Empörung hat der Fall beim Sozialrat ausgelöst, weil der schwer behinderte Pole wenige Tage vor seiner geplanten Anhörung vor Gericht abgeschoben worden war. Bis heute ist es dem Sozialrat nicht gelungen, den 24-Jährigen in Polen ausfindig zu machen.

Das Gericht hatte einen Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, da der Pole während des Prozesses zunächst nicht aufzutreiben war und dem Gericht somit keine Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse vorlegen konnte. Bisher hat der Sozialrat die Kosten für den Rechtsbeistand getragen, der als Nebenkläger für den Punk auftrat. Wie Mariusz Pregowski vom Sozialrat erklärte, werde seine Institution auch die Kosten der Berufung tragen, obwohl der Verein selbst ausgesprochen knapp bei Kasse ist. Da das Gericht das Geschehen an der S-Bahn zudem im Kern als tragischen „Unfall“ wertete und nicht als rassistisch motivierte Straftat, erhält der Punk auch keine Unterstützung aus dem Fonds für die Opfer fremdenfeindlich motivierter Gewalttaten.

Der Sozialrat sieht Chancen für eine Berufung vor dem Landgericht, da seiner Meinung nach nicht alle Zeugenaussagen angemessen berücksichtigt wurden.

Hartwig Berger (Grüne) wollte gestern im Abgeordnetenhaus eine mündliche Anfrage zu dem Vorfall und der Abschiebung des Punks einbringen. Er sieht in dem Vorfall einen „vermutlich rassistischen Überfall“. Es wollte vom Senat wissen, wie die Abschiebung des Punks zu rechtfertigen gewesen sei.

PHILIPP GESSLER

Polnischer Sozialrat e. V., Kontonummer: 3375409, BLZ 100 205 00, Bank für Sozialwirtschaft, Spendenquittung für Einzahlungen über 10 Mark. Infos im Netz unter www.polskarada.de

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