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Israel im Angriff

Deutscher Arzt kommt bei israelischem Hubschrauberangriff ums Leben

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Unter den Opfern der Kämpfe in den Palästinensergebieten ist zum ersten Mal ein deutscher Staatsbürger. Der 68-jährige Arzt Harry Fischer wurde in der Nacht zum Mittwoch von Maschinengewehrkugeln getroffen, als israelische Kampfhubschrauber und Artillerie den Ort Beit Dschalla angriffen, von dem aus auf die benachbarte jüdische Siedlung Gilo geschossen worden war. Bei dem Hubschrauberangriff wurden acht weitere Menschen verletzt. Von palästinensischer Seite wurde am Morgen außerdem der Tod eines 12-jährigen Jungen gemeldet, der am Vortag bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Soldaten im Gasastreifen verletzt worden war. Auch ein Angehöriger der Präsidentengarde „Force 17“ erlag seinen Verletzungen.

Bundesaußenminister Joschka Fischer forderte von Israel Aufklärung über die Umstände des Todes des Arztes aus Gummersbach, der mit einer Palästinenserin verheiratet war und seit den frühen 80er-Jahren in Beit Dschalla lebte. Nach Auskunft von Familienangehörigen wurde Harry Fischer getroffen, als er Nachbarn zu Hilfe kommen wollte, deren Haus durch den Beschuss in Brand geraten war. Wegen der fortgesetzten Raketenangriffe habe Fischer erst drei Stunden später ins Krankenhaus gebracht werden können, wo er seinen Verletztungen erlag.

Unterdessen bestritt die Regierung in Jerusalem Berichte der Washington Post, dass am Mittwoch Vertreter der UN, Israels und der Palästinenser zusammengekommen seien, um über den Einsatz internationaler Schutztruppen in den Konfliktzonen zu verhandeln. Die von palästinensischer Seite geforderte Entsendung von 2.000 Blauhelmsoldaten lehnte Premierminister Ehud Barak gestern erneut ab. US-Präsident Bill Clinton hatte im Anschluss an sein Treffen mit Barak vor ein paar Tagen erklärt, dass ein solcher UN-Einsatz nur denkbar sei, wenn beide Seiten zustimmten.

Auch aus Sorge vor einer internationalen Einmischung verfolgt Israel bislang eine „Politik der Zurückhaltung“, wie Barak formuliert hat. „Es gibt keinen Sieg von heute auf morgen“, erklärte Vizeverteidigungsminister Efraim Sneh im israelischen Hörfunk. Die Anwendung „unkluger Gewalt“ werde Arafat den Sieg bringen. Der amerikanische Nahostbeauftragte Dennis Ross, der am Vortag der Beerdigung von Lea Rabin beigewohnt hatte, traf zu Gesprächen mit Barak und Arafat zusammen. Der Palästinenserpräsident äußerte die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen noch vor dem Ende von Clintons Amtsperiode. Barak erklärte dagegen, dass „Israel sich die Politik nicht diktieren lässt“. Eine Wiederaufnahme des Dialogs könne nicht stattfinden, solange die Unruhen andauerten.

Dass eine Eindämmung der Gewalt derzeit indes nicht zu erwarten ist, machte Tansim-Chef Marwan Barguti gestern im palästinensischen Hörfunk deutlich. Barguti sprach von einer „neue Phase im Kampf“, die am Vortag, dem 12. Jahrestag der Proklamation Palästinas, begonnen habe. Dazu gehöre, Siedler und Soldaten daran zu hindern, palästinensische Städte zu betreten, um so die palästinensische Souveränität zu demonstrieren. Am Vortag waren acht Palästinenser bei den Unruhen zu Tode gekommen. Im Verlauf des Donnerstags eskalierten die Auseinandersetzungen erneut. Seit dem frühen Morgen hatten israelische Kampfhubschrauber Einrichtungen der Fatah in Jericho, Hebron und Tulkarem unter Beschuss genommen.

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