Chronik der Kaperei

Bereits die alten Ägypter hatten über Piratenüberfälle zu klagen, als um 1350 v. Chr. Seeräuber aus Lykien an der Küste Nordafrikas ihr Unwesen trieben. Der griechische Philosoph Plutarch (ca. 46 – ca. 119 n. Chr.) überliefert die Anekdote Caesars, der auf dem Rückweg von Bithynien von kilikischen Piraten als Geisel genommen worden war.

Alexander der Große (356 – 323 v. Chr.) bemühte sich ab 331 v. Chr. darum, die Piraterie einzudämmen. Auf die Frage an einen Piraten, warum er die Meere unsicher mache, soll der Pirat geantwortet haben: „Aus dem gleichen Grund, aus dem du die Welt belästigst. Ich mache es mit einem kleinen Schiff – deshalb nennt man mich einen Piraten. Du machst es mit einer ganzen Flotte, deshalb nennt man dich einen Imperator.“

Die Wikinger machten sich im 9. Jahrhundert aus dem Gebiet des heutigen Skandinavien auf und plünderten vor der Küste Frankreichs und an Flussläufen der südlichen Nordsee. Mit ihren flachen Booten konnten sie weit ins Landesinnere vordringen. Anfang des 11. Jahrhunderts siedelten sich die Wikinger in England, Island, Irland und in der heutigen Normandie an. Häufig nahmen die als Gegenleistung für den Erhalt von Land den christlichen Glauben an.

Im Jahr 1241 gründete sich die Hanse als Zusammenschluss norddeutscher Städte mit dem Ziel, den Handel über die See hinweg zu fördern. In ihrer Glanzzeit umfasste die Hanse zweihundert Städte, die sich hauptsächlich im Nord- und Ostseeraum befanden. Der Kauffahrerbund, dessen Kopf die Stadt Lübeck war, unterhielt auch Kontore in Brügge, Bergen, London und Nowgorod. Zusätzlich stellte die Hanse Kaperbriefe an Piraten aus, die es erlaubten, hansefremde Schiffe zu kapern, ohne dafür bestraft zu werden. Als die Piraten unliebsam geworden waren, stellte der Städtebund eine Streitmacht auf, um die Piraten aus der Ostsee zu vertreiben.

Die Hochzeit der Piraterie wird in der Zeit vom späten 16. bis zum frühen 17. Jahrhundert datiert. Der Einflussbereich der Piraten erstreckte sich auf Nord- und Ostsee, die Küsten Amerikas und die Karibik. Nassau, die heutige Hauptstadt der Bahamas, war zeitweise fast ausschließlich von Piraten bevölkert, die in den flachen Gewässern vor der Insel reiche Beute machten. Aus diesem Zeitraum sind die meisten Seeräubergeschichten bekannt (siehe Spalte auf Seite II).

Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich aus einer Rebellion gegen die Le-Dynastie in Vietnam die größte Piratenorganisation, die es weltweit gab. Im Kampf gegen den Herrscher von Vietnam, Phuc Anh, schlossen sich viele verstreute Piraten zu einer streng hierarchisch organisierten Gruppe zusammen, die ihre Macht stetig ausbaute und mit Schutzgelderpressungen und Lösegeldforderungen reich wurde. Der Bund umfasste in der Zeit seiner größten Macht über tausend Dschunken und bis zu 150.000 Piraten und wurde auch für das chinesische Kaiserreich zu einer ernsten Bedrohung. Erst ein Amnestieangebot des Kaisers an die inzwischen zerstrittenen Piraten bewirkte Anfang des 19. Jahrhunderts die Auflösung des Piratenbundes.

DOROTHEE CHLUMSKY