Liebevoller Gruß zurück

Mit seinem „Kleinen Film für Bonn“ (So., 21.15 Uhr, 3sat) gelingt Klaus Wildenhahn eine wunderbare Hommage an den untergegangenen Regierungsalltag am Rhein aus Sicht der „kleinen Leute“

„Dem Bayer muss man alles bis ins kleinste Detail erklären, sonst begreifen sie’s nicht“, sagt der Herr der Autos. Aber so richtig Spaß am Spott über den depperten Abgeordneten aus dem Süden der Republik, der irgendwo steht und auf seinen Chauffeur wartet, hat der Einsatzleiter der „Fahrbereitschaft des Deutschen Bundestages“ heute nicht.

Es ist sein letzter Tag, die letzte Sitzung im Bonner Bundestag vor dem Umzug nach Berlin. Den machen die wenigsten Fahrer mit, und gegen die Wehmut und die Angst vor der für einige ungewissen Existenz hilft bei der Abschiedsfeier in der Tiefgarage auch das Schild nicht, das von alten Privilegien kündet: „Bei der Benutzung der Waschanlage haben Dienstfahrzeuge des Bundestages Vorrang“, steht da. Vielleicht stimmt sie der „kleine Film für Bonn“ ein bisschen glücklicher, schließlich handelt er von ihnen: den kleinen und mittleren Angestellten im Räderwerk der alten, der Bonner Bundesrepublik.

Nicht die Abgeordneten und Ministerialräte hat Klaus Wildenhahn in seinem elegisch-melancholischen Blick auf die letzten Tage am Rhein und das große Aufräumen im Visier. Er porträtiert lieber die Saaldiener und Fahrer, Köche und Kellner aus dem Bundestagsrestaurant, Mitarbeiter des Bundestags-Besucherdienstes und der Reinigungsbrigaden.

Auch der Presseclub kommt noch einmal in seiner ganzen 60er-Jahre-Pracht ins Bild, auf den Tag genau weiß der Restaurantleiter, wie lang er hier war: 27 Jahre, zwei Monate und 21 Tage. „Das neue Kapitel heißt jetzt Berlin“ sagt es dazu aus dem Off, „andere werden schreiben.“

„So etwas wie ein atmosphärisches Bild, ein Gruß an eine Kommune, die zurückbleibt nach einer langen, zivilen Regierungszeit“ habe er zeichnen wollen, so Klaus Wildenhahn, ein gebürtiger Bonner in den Diensten des NDR, von 1959 bis 1995. Über vierzig große Dokumentarfilme hat er in dieser Zeit gedreht, „Ein kleiner Film für Bonn“ ist die erste Arbeit seit der Pernsionierung – vielleicht auch seine letzte, sagt Wildenhahn.

So geteilter Meinung man über seine Betonung des im Gegensatz zu Berlin angeblich so viel friedvolleren Bonn sein kann: Der „kleine Film“ fängt sie ein in wunderbar langsamen, elegischen Bildern. Wildenhahn nimmt sich die Ruhe, die „Kommune“ und ihre Menschen vielschichtig zu porträtieren. Hat die Zeit, sich die wirklich wichtigen kleinen Dinge im Leben des befrackten Saaldieners anzuhören, bis hin zu den selbst gebastelten Kleiderhaken, an denen nach getaner Arbeit die weißen Dienstfliegen im Spind schlafen.

Subtil macht sich dabei auch Kritik an der üblichen, der hektischen medialen Berichterstattung breit: Am letzten Sitzungstag interessiert sich erstmals nicht nur Wildenhahns Kamera für die Saaldiener und Putzkolonnen. Doch da ist keine Zeit für die wirklichen Geschichten, da reicht das knappe Statement, am liebsten noch mit Bild vom Händedruck mit Westerwelle, und dann wieder ab in die Redaktionen. Morgen geht es nach Berlin.

Wildenhahn bleibt. Genau wie einige Fahrer der Bundestagsbereitschaft, die jetzt dem Verkehrsministerium, Dienstsitz: Bonn, zugeteilt sind. Nur ihre Autos sind alle verkauft.STEFFEN GRIMBERG