: Wachsheriffs jagen Bankräuber
Nach jahrelangem Misstrauen kooperieren immer mehr Polizeipräsidien mit privaten Sicherheitsfirmen. Die Wachdienste übernehmen zunehmend klassische Polizeiaufgaben. Doch von der Zusammenarbeit profitieren vor allem die Privaten
von OTTO DIEDERICHS
Schon bald könnte die Polizei, „dein Freund und Helfer“, nach einem neuen Betätigungsfeld fahnden: Private Sicherheitsdienste übernehmen zunehmend deren Aufgaben.
Noch vor einigen Jahren hatte die Polizei die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten rundweg abgelehnt. Das Argument: Sicherheit und die Bekämpfung von Kriminalität seien staatliche Kernaufgaben und damit Sache der Polizei.
Doch immer mehr Präsidien kooperieren mit privaten Sicherheitsdiensten. Denn während die Haushaltsmittel für die Polizei überall schrumpfen, expandiert das Sicherheitsgewerbe: Rund 2.500 Unternehmen mit etwa 160.000 Beschäftigten gibt es derzeit in Deutschland – Tendenz steigend. 83 Prozent der Bundesbürger sind bereit, für zusätzlichen Schutz 69 Milliarden Mark auszugeben, will der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BKD) ermittelt haben. Der Leiter der Abteilung Innere Sicherheit im Bundesinnenministerium, Werner Müller, sieht kein „Sicherheitsmonopol“ des Staates.
Die Polizei hat ihren Widerstand gegen die private Konkurrenz aufgegeben. „Ein Zusammenwirken zwischen Polizei und Sicherheitsunternehmen kann und muss es geben“, sagt der BKD-Vorsitzender Eike Bleibtreu. Bereits im Juni 1999 hat die Polizei in Frankfurt/Main einen Vertrag mit neun Sicherheitsfirmen abgeschlossen. Nahezu zeitgleich startete in Düsseldorf ein Pilotprojekt, an dem sich vier Unternehmen beteiligen.
Mit kleinen Abweichungen gleichen sich die Modelle. Gemeinsame Sicherheitsbesprechungen finden in Düsseldorf vierteljährlich statt. In Frankfurt gibt es sogar eine wöchentliche „Montagsrunde“. Über eine gemeinsame Leitstelle halten die Firmen Kontakt mit der Polizei und teilen ihre Beobachtungen mit. Der für das Düsseldorfer Projekt verantwortliche Polizeidirektor Wolfgang Bülow spricht von einer „Bereicherung der polizeilichen Erkenntnislage“. Die Polizei könne schneller reagieren. Durch die Kooperation ließen sich bereits Straftaten aufklären. Doch umgekehrt läuft der Austausch ebenfalls. Die Polizei gibt „wesentlich mehr Informationen, als sie erhält“. Dies liege daran, räumt Bülow ein, dass die Polizei „zur Gestaltung der inneren Sicherheit mehr einschlägige Informationen als ihre Partner“ besitze. Ein Problem sieht er in dem Ungleichgewicht aber nicht. Die Düsseldorfer Sicherheitsmänner sind Ansprechpartner für die Bürger bei Informationen, Hilfsersuchen und Notrufen. Selbst nach Banküberfällen können die privaten Dienste einbezogen werden.
Nach Ablauf des zwölfmonatigen Modellversuchs hätten beide Seiten eine „mehr als positive Bilanz“ gezogen, heißt es bei der Düsseldorfer Polizei. Das Projekt soll auf eine „langjährige Basis“ gestellt werden. Bei der Industrie- und Handelskammer haben sich bereits interessierte Unternehmen gemeldet.
In Wiesbaden haben Polizei und private Dienste im Juni eine Kooperation vereinbart – zeitlich unbefristet. Auch in Mecklenburg-Vorpommern haben Innenministerium und Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen Leitlinien zur Zusammenarbeit erarbeitet. „Kooperationsabkommen zwischen der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, möglicherweise ergänzt durch kommunale Dienststellen, können das bisher ungeordnete Nebeneinander in eine geordnete Struktur bringen“, findet inzwischen auch die Gewerkschaft der Polizei, bisher größter Gegner der privaten Sicherheitsanbieter.
Die Bewachungsdienste sind hoffähig geworden. Auf ihre Umsätze, die jährlich bei rund 5 Milliarden Mark liegen, kann sich dies nur positiv auswirken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen