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Goethe heißt in Indien Müller

■ Die Shakespeare-Company repräsentiert Bremens Kultur beim „German Festival in India“ mit der Bremerhavener Literaturzeitschrift „Die Horen“

Indien ist weit weg und fremd. Wer denkt beim Thema Indien schon an mehr als Kühe, Ratten, Tiger oder Slums? Immerhin handelt es sich um die neuntgrößte Industrienation. Für die Regierung Kohl war das Grund genug für eine Annäherung: Mit dem damaligen Premier Rao wurde ein Doppelfestival vereinbart. Schon 1992 präsentierte sich Indien in Deutschland, der Gegenbesuch sollte 1998 steigen. Aber wegen der Finanzlasten durch die Vereinigung sagten die Deutschen kurzerhand ab. Erst Außenminister Joschka Fischer hauchte dem „German Festival in India“ neues Leben ein. Das findet nun mit zweijähriger Verspätung statt.

Für die Bremer Shakespeare-Company war die Verschiebung ein Glücksfall: So konnte das Theater noch mittun. Die in Zusammenarbeit mit dem indischen Tanzensemble der französischen Choreographin Charlotte Leday entstandene Inszenierung von Shakespeares „Sturm“ wird im Rahmen des Festivals erstmals auch in Indien zu sehen sein. Sieben Vorstellungen des interkulturellen Projekts in vierzehn Tagen – eigentlich nichts besonderes für die Improvisations-Routiniers. Vor dem Indien-Trip ist ihnen dennoch etwas mulmig: Jede Vorstellung ist in einer anderen Stadt. Zwischen den Auftrittsorten Delhi, Mumbai (früher Bombay), Pune, Hyderabad, Bangalore, Chennai und Trivandrum liegen Flugreisen von mehreren tausend Kilometern. Und alles, was sie mitnehmen können, sind vier Kisten.

Ein Bühnenbild gibt es deshalb nicht – anders als bei den deutschen Theatern, die für ihr Indien-Gastspiel ihre Bühnenbilder gleich in mehreren Städten nachbauen ließen. Den Bremern kommt dafür vielleicht ihre Ortskenntnis zugute: 1999 waren sie schonmal für zwei Wochen für gemeinsame Proben in Trivandrum. Außerdem bauen die Schauspieler darauf, dass ihre indischen Partner sie „an die Hand nehmen“. „Aber wie wir beim Publikum ankommen, können wir noch überhaupt nicht einschätzen“, sagt Schauspieler Peter Lüchinger. Denn der Tanz der indischen Gruppe ist stark vom traditionellen Kathakali beeinflusst, der nur im Bundesstaat Kerala verbreitet ist. Für die Tanztruppe sind die Auftritte in den anderen Staaten also auch mehr Kulturexport als Heimspiel.

Ein weiterer Kulturbeitrag zum Festival kommt aus Bremerhaven: Schon 1997 hat die renommierte Literaturzeitschrift „Die Horen“ einen Band mit indischen Erzählungen nach 1945 veröffentlicht. Anders als üblich wurden sie nicht aus dem Englischen übersetzt, sondern direkt aus 16 verschiedenen indischen Kultursprachen. Zum Festival wurde der Band in einer aktualisierten Fassung neu aufgelegt. 1999 folgte der zweite Indien-Band der Zeitschrift: eine Anthologie mit Reiseberichten deutscher Autoren aus Indien von 1900 bis 1999. „Das Indien-Bild in der deutschen Literatur war dringend korrekturbedürftig“, erklärt Herausgeber Johann Tammen die Motivation der Zeitschrift. Mit Begegnungen zwischen deutschen und indischen Autoren hat dazu nicht unwesentlich das Goethe-Institut beigetragen. In Indien heißt das deutsche Kulturinstitut, das das Festival vor Ort koordiniert, allerdings Max-Müller-Bhavan (-Haus) – nach dem in Indien hochangesehenen Philologen, der die alten Sanskrit-Schriften übersetzt hat, ohne jemals selbst im Land gewesen zu sein.

Als dritter Träger aus dem Land Bremen beteiligt sich das Solidaritäts-Forum Bremen-Pune am Festival: Auf Anregung aus Bremen kommen im Februar Vertreter aus den 30 wichtigsten Städten des Landes in Pune zu einer Konferenz über die Rolle der Wirtschaft im Agenda-21-Prozess zusammen. Unter anderem wird dort eine Bremer Entwicklung präsentiert, mit der die Abgase von Kläranlagen zur Energiergewinnung genutzt werden können. Einen ehrgeizigen Plan hat das Landesinstitut Schule: Noch in diesem Jahr werden SchülerInnen in Bremen und Pune zu einem Aufsatzwettbewerb unter dem Titel „Wünsche an die Zukunft“ aufgerufen. Noch ehe das Festival im März endet, sollen die Ergebnisse in einem Buch veröffentlicht sein. Jan Kahlcke

Die Projekte werden am 9. Dezember beim „Indien-Seminar“ im Kolping-Haus vorgestellt (ab 10.30 Uhr). Am Nachmittag gibt es einen Vortrag über „Shakespeare im indischen Film“. Anmeldung unter  361 21 94 (kostenlos).

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