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„Damit er nicht dauernd weinen muss“

1500 Antifaschisten gegen Nazi-Aufmarsch in Elmshorn  ■ Von Peter Müller

Die Stadt Elmshorn mit ihrer antifaschistischen Tradition hat einmal mehr gegen Nazis Flagge gezeigt. Mehr als 1500 Menschen vermiesten am späten Dienstagabend mit einer Marathonkundgebung militanten Rechten deren Aufmarsch. Die Propaganda-Reden des Hamburger Neonazi-Führers Christian Worch und des vorbestraften Peter Borchert übertönten sie mit Rufen: „Nazis raus“ und „Ob Ost, ob West, nieder mit der braunen Pest“. Der genervte Pinneberger Kameradschaftsführer Klemens Otto drohte daraufhin: „Wir kommen wieder.“

Es war nicht der Tag von Worch und Konsorten: Statt der erwarteten 150 Aktivisten waren nur 70 Neonazis wegen der behördlichen Auflagen – keine Bomberstiefel, Trommeln, Fackeln und Fahnen – in die 48.000-Einwohner-Stadt gekommen. Die Polizei begleitete die Rechten, als sie kurz vor 20 Uhr mit Zügen am Bahnhof eintrafen, über die Gleise zum Karl-Marx-Platz, wo sie direkt unter einem Transparent „Keine Toleranz für Neonazis in Elmshorn“ vor der Markhalle Formation einnehmen durften – umkreist von Polizeifahrzeugen.

Und dann klappte nichts. Zuerst war der Lautsprecherwagen verlorengegangen, dann funktionierten die Tröten nicht, dafür die lautstarken Protestchöre der Antifaschisten. Worch war die Wut ins Gesicht geschrieben, Otto musste sich wegen seiner „Scheißorganisation“ deutliche Worte seines Führers aus Hamburg anhören. Und dann wollte die Polizei noch einigen Rechten – die die Auflage nicht erfüllt hatten – die Stiefel ausziehen.

Borchert versuchte dies ins Lächerliche zu ziehen, indem er demonstrativ in Gummistiefeln auftrat: „Ich liebe meine Stiefel.“ Die diversen Morddrohungen gegen den Elmshorner IG-Metall-Chef Uwe Zabel und die Anschläge auf das Gewerkschaftsbüro versuchte er zu bagatellisieren: „Lasst die Scheiben von Zabel in Ruhe, damit er nicht dauernd weinen muss.“ Borchert saß sechs Jahre wegen versuchten Totschlags und räuberischer Erpressung im Knast und wurde vorige Woche wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt.

Doch zuvor hatte Worch die harte Linie ausgegeben. Für die Neonazis ist Zabel ein „Verräter“, der sich in Zeiten „bolschewistischer Aufstände“ zurücksehnt. „Wir werden Dich weiter bekämpfen, bist du hier überhaupt nichts mehr zu sagen hast“, drohte Worch.

In der Tat hat der „Kampf um die Straße“ (Nazijargon) im roten Elmshorn – nach der juristisch abgewehrten Schließung des Neumünsteraner Nazitreffs „Club 88“ – oberste Priorität. Das zeigten auch die Aktivitäten um den 9. November herum, als Neonazis anläßlich der Gefallenen des Hitlerputsches 1923 Kränze in Halstenbek niederlegten und in Heidgraben eine Veranstaltung mit dem Terroristen Manfred Roeder durchführten.

An diesem Abend waren die Rechten allerdings froh – nachdem ein genervter spontaner Angriffsversuch auf die Gegendemo durch Polizisten verhindert wurde – dass sie per Sonderbus wieder „geordnet“ aus der Stadt kamen.

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