: Probleme mit der Demokratie?
■ In Vegesack ist Ortsamtsleiterwahl / Seitdem kungeln die Parteien miteinander / Ein Kandidat warf freiwillig das Handtuch
Reichlich „Klärungsbedarf“ ließ am Dienstag den Beiratsbeauftragten des Innenressorts, Jens Knudtsen, nach Vegesack pilgern – zum entzweiten Ortsbeirat. Ein Termin angesetzt, um die Wahl des Ortsamtsleiters nächste Woche vorzubereiten. Und um die brodelnde Gerüchteküche Bremen-Nords unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein bisschen zu besänftigen.
Denn es wird knapp, wenn der amtierende Ortsamtsleiter Reiner Kammeyer (SPD) nächsten Montag gegen den Herausforderer Rainer Buchholz (CDU) antritt, der allerdings ganz in der Gunst der kleinen Fraktionen liegt: Grüne und AfB wollen in Vegesack für den Konservativen stimmen. Damit stünde es im Beirat acht zu acht, die FDP-Frau würde Zünglein an der Waage spielen.
Den akuten Klärungsbedarf mit der Behörde hatte jetzt ein Schreiben der CDU und der Grünen provoziert. Beide Fraktionen hatten darin die Nachnominierung weiterer Kandidaten gefordert, nachdem ein Bewerber aus der engeren Wahl inzwischen abgesprungen war.
Zwar hatten sich ursprünglich alle Fraktionssprecher auf eine Vorauswahl von vier Kandidaten verständigt. Aber wegen des Rückzugs des zweiten SPD-Mannes Ralf Lindemann bleiben nur noch drei potentielle Ortsamtsleiter im Rennen. Viel zu wenig, fanden Roland Koch (Grüne) und Robert Wichmann (CDU). Am Ende stünde ein Kampf der Platzhirsche mit Nullchancen für den einen verbleibenden Quereinsteiger.
Ganz uneigennützig ist der CDU/Grünen-Einsatz für eine erweiterte Kandidaten-Kür dennoch nicht. Ein zweiter SPD-Bewerber könnte die Sozis im Beirat womöglich spalten, während Buchholz dann mit sicheren acht Stimmen an Kammeyer vorbeiziehen könnte.
Um einem solchen „politischen Selbstmord“ zu entgehen, hatte die SPD vorsorglich vor zwei Wochen eine Mitgliederversammlung einberufen und auf Lindemanns Wunsch die Vertrauensfrage gestellt. 70 Prozent waren für Kammeyer. Der Bewerber aus Lilienthal wertet seine 30 Prozent zwar als „Achtungserfolg“ gegen den Genossen Amtsinhaber. Die logische Konsequenz zum Wohle der SPD-Einigkeit hieß aber: vorzeitiger, freiwiliger Ausstieg aus dem Rennen.
Neue Kandidaten soll es trotz allem nicht mehr geben. Der Beirat in Vegesack einigte sich darauf, es bei der bisherigen Vorauswahl zu belassen. Politische Mehrheiten für Nachnominierung hätte es in der großen Runde voraussichtlich ohnehin nicht gegeben.
Unklar ist allerdings noch inwieweit, CDU-Kandidat Buchholz sich selber mitwählen kann. Die rechtliche Interpretation ist offen, offiziell hat darüber der Beirat selbst zu entscheiden. Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse wolle man sich jetzt nicht „die Blöße geben“, kurz vor der Wahl womöglich überstimmt zu werden, erklärte Robert Wichmann. Auch wenn es die entscheidende Stimme sein sollte, ziehe der CDU-Bewerber die Enthaltung vor.
Inzwischen haben sich die Top-Kandidaten Buchholz und Kammeyer auf Einladung der Vegesa-cker Grünen einer ersten öffentlichen Diskussion gestellt. Meist herrschte Einigkeit unter den Kandidaten: zu wenig Rechte des Beirats, zu wenig Macht gegenüber der Bürgerschaft. Richtig ernst wird die Kandidatenkür aber erst im Beirat – nächsten Montag. pipe
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